Rz. 207

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestimmt, dass Organschaft dann vorliegen soll, wenn eine juristische Person (zur Möglichkeit der Eingliederung einer Personengesellschaft vgl. Rz. 182a ff.) in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Damit ist vorgegeben, dass der Organträger selbst die Unternehmereigenschaft nach den umsatzsteuerrechtlichen Regelungen erlangen muss. Die Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer bewirkt insbesondere, dass die Organschaft nicht entgegen ihrem Vereinfachungszweck als reines steuerrechtliches Gestaltungsinstrument zur Vermeidung nichtabziehbarer Vorsteuerbeträge in Anspruch genommen werden kann.[1] Die Rechtsform des Organträgers ist hingegen ohne Bedeutung. Unter den weiteren Voraussetzungen können somit natürliche Personen, Personenzusammenschlüsse wie auch juristische Personen Organträger sein. Organträger kann nach den derzeitigen nationalen Regelungen immer nur ein (übergeordneter) Unternehmer sein. Der BFH[2] hat noch 2022 ausdrücklich bestätigt, dass ohne Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters keine Organschaft zwischen zwei Schwestergesellschaften bestehen kann. Eine gleichzeitige Eingliederung einer Organgesellschaft in die Unternehmen mehrerer Organträger (sog. Mehrmütterorganschaft) ist umsatzsteuerrechtlich nicht möglich.[3]

 

Rz. 208

Der Organträger muss dabei durch eigene entgeltliche Leistungen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG erfüllen und damit aus eigenem Recht heraus die Unternehmereigenschaft erlangen können.[4] Die Voraussetzung, dass der Organträger aus eigener Tätigkeit heraus selbst Unternehmereigenschaft erlangen muss, damit potenzielle Organgesellschaften in sein "Unternehmen" eingegliedert sein können, hatte der BFH in verschiedenen Urteilen in Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH zutreffend bestätigt.[5] Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des BFH nicht darauf an, dass mit der Unternehmereigenschaft des Organträgers tatsächlich missbräuchliche Gestaltungen verhindert werden können. In seinen Urteilen führt er aus, dass angesichts des insoweit klaren und unmissverständlichen Wortlauts des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG, dass eine Eingliederung "in das Unternehmen" des Organträgers erforderlich ist, eine vom Wortlaut abweichende richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG an dieser Stelle nicht in Betracht kommt. Der BFH musste deshalb auch nicht entscheiden, ob die sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer eigenen Unternehmereigenschaft des Organträgers unionsrechtlich nur statthaft sei, wenn dies im nationalen Kontext zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen erforderlich und geeignet sei.

Damit hat der BFH nachhaltig seine frühere Rechtsprechung[6] aufgegeben, nach der es nicht erforderlich war, dass der (potenzielle) Organträger durch eigene Umsätze die Unternehmereigenschaft erlangte, sondern es als ausreichend angesehen wurde, dass er sich für die Ausführung von Leistungen am Markt seiner Tochtergesellschaften bediente.

 

Rz. 209

Die Leistungen, die der Organträger zur Begründung seiner unternehmerischen Betätigung ausführen muss, müssen allerdings nicht gegenüber fremden Dritten erbracht werden. Es ist zur abstrakten Begründung der Unternehmereigenschaft ausreichend, wenn die Leistungen gegenüber den (potenziellen) Organtöchtern ausgeführt werden.[7] Soweit dann unter Berücksichtigung der weiteren Eingliederungsvoraussetzungen ein organschaftliches Verhältnis begründet wird, ergeben sich daraus aufgrund der Einheitlichkeit des Unternehmens nach nationaler Auffassung wiederum nicht steuerbare Innenumsätze. Die Leistungserbringung muss sich aber auf entgeltliche Leistungen beziehen, die unentgeltliche Überlassung von Gegenständen oder die unentgeltliche Ausführung von sonstigen Leistungen kann die Unternehmereigenschaft – und damit auch die allgemeine Voraussetzung für die Organschaft – nicht begründen.[8]

 

Rz. 210

Unter den genannten Voraussetzungen können auch unter den weiteren Eingliederungsvoraussetzungen bei einer umsatzsteuerrechtlichen Holding die Rechtsfolgen der Organschaft vorliegen. Voraussetzung ist dabei, dass die Holdingmutter Unternehmereigenschaft erlangen muss. Nach der Rechtsprechung des EuGH[9] und nachfolgend des BFH[10] kann sich eine unternehmerische Betätigung einer Holding nur dann ergeben, wenn es sich um eine sog. Führungsholding handelt. In diesem Fall führt sie entgeltlich gegenüber den Beteiligungsunternehmen Leistungen (z. B. Geschäftsführungsleistungen, Buchführung, Rechenzentrum, Beratungsleistungen) aus und erlangt deshalb Unternehmereigenschaft (Rz. 120).

 

Rz. 211

Hat der potenzielle Organträger sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich (z. B. bei einer Mischholding oder bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts), muss die Beteiligung an den (potenziellen) Organgesellschaften in dem unternehmerischen Bereich gehalten werden. Eine mittelbare Zurechnung der...

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