Rz. 202

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit dann nicht selbstständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Die Organlehre macht sich die Erkenntnis zu eigen, dass eine bürgerlich-rechtlich selbstständige, unter eigener Firma auftretende juristische Person sich gegenüber einer anderen Unternehmung in einer derart großen Abhängigkeit befinden kann, dass die für die Annahme einer eigenen Unternehmereigenschaft notwendige Selbstständigkeit nicht mehr vorhanden ist. Dabei kommt es ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse an, sodass die Vorlage von Verträgen, z. B. Organschaftsvertrag, Ergebnisabführungsvertrag o. Ä., nicht erforderlich ist, sondern nur als Beweisanzeichen dienen kann. Für die Beurteilung der Voraussetzungen der Organschaft kommt es alleine auf das Innenverhältnis der organschaftlich verbundenen Unternehmensteile an, ein einheitliches Auftreten im Außenverhältnis ist nicht erforderlich. Aufgrund der im Unionsrecht verankerten Rechtsformneutralität muss es auch möglich sein, Personengesellschaften weisungsgebunden in einen Organkreis einzubinden, vgl. dazu auch Rz. 182a ff. Der BFH und nachfolgend die FinVerw[1] haben zu den Möglichkeiten der finanziellen Eingliederung bei Personengesellschaften Stellung bezogen, vgl. Rz. 230a ff.

 

Rz. 203

Für die Eingliederung der Organgesellschaft ist es nicht notwendig, dass alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen ausgeprägt vorliegen. Eine Organschaft kann auch dann gegeben sein, wenn die Eingliederung auf einem der Gebiete nicht vollkommen, dafür aber auf den anderen Gebieten umso eindeutiger ist.[2] Allerdings müssen alle drei Eingliederungskriterien vorliegen. Falls eines der Kriterien nicht erfüllt ist, kann eine Organschaft nicht vorliegen.[3] So führt auch eine besonders intensive organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung nicht zu einer Organschaft, wenn es an der Beherrschung der Organgesellschaft durch die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger fehlt.[4] Grundsätzlich kann von einem Eingliederungskriterium nicht auf das Vorliegen der anderen Eingliederungskriterien geschlossen werden.[5]

 

Rz. 204

Für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen der Organschaft erfüllt sind, kommt es aber allein auf die Verhältnisse des jeweiligen Betrachtungszeitraums an. Es ist dabei ohne Bedeutung, warum die Voraussetzungen für die Organschaft in der Vergangenheit nicht vorlagen.[6]

 

Rz. 205

Sind die Voraussetzungen für die Organschaft erfüllt, ergeben sich die Rechtsfolgen der Organschaft von Gesetzes wegen. Weder das nationale UStG noch das Unionsrecht sehen ein Wahlrecht für den Eintritt der Rechtsfolgen einer Organschaft vor.[7] Sollten sich durch die Organschaft für die Beteiligten unerwünschte Ergebnisse einstellen, kann lediglich versucht werden, durch eine andere Art der Gestaltung dafür Sorge zu tragen, dass die Voraussetzungen der Organschaft nicht mehr gleichermaßen vorliegen.

 

Rz. 206

Teilweise wird in der Literatur ein Wahlrecht für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft gefordert.[8] Unabhängig von der nationalen – eindeutigen – Formulierung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG war bisher ein Wahlrecht für den Eintritt der Folgen der Organschaft politisch kaum umsetzbar. Da die Organschaft ihre wesentliche wirtschaftliche Bedeutung mit der Einführung der Vorsteuerabzugsberechtigung 1968 verloren hat, ergeben sich im Wesentlichen nur noch verfahrensrechtliche Fragen bei der Organschaft. Lediglich in den Fällen nicht vorsteuerabzugsberechtigender Leistungen innerhalb des Organkreises können sich noch tatsächliche Vorteile für die Unternehmensteile ergeben, soweit von der Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze ausgegangen wird (Rz. 200). Deshalb sind in der Wirtschaft auch die Finanz- und Versicherungsbranche sowie der Gesundheitssektor die vehementesten Verfechter der Organschaft. Bei voller Vorsteuerabzugsberechtigung ergeben sich kaum Vorteile für die beteiligten Unternehmen, da einer entstehenden USt eine Vorsteuerabzugsberechtigung gegenübersteht. Durch die Abrechnung als Innenumsätze im Organkreis ergeben sich zwar für die Beteiligten gewisse Vereinfachungen, diesen stehen aber im Falle der Insolvenz einzelner Organteile erhebliche finanzielle Risiken entgegen. Die Einführung eines Wahlrechts für die Rechtsfolgen der Organschaft würde hier – zwar für die Wirtschaft wünschenswert, politisch bisher unrealistisch – die Wegnahme von Risiken bei der Beibehaltung von wirtschaftlichen Vorteilen bedeuten. Da dies politisch kaum durchsetzbar sein wird, würden Veränderungen bei der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft eher auf eine – unionsrechtlich nach Art. 11 MwStSystRL zulässige – Abschaffung der Organschaft hinauslaufen; aber auch dies scheint vor dem Hintergrund politisch einflussreicher Befürworter der Organschaft wenig wahrscheinlich. Ob dami...

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