Rz. 15

Die für die Erwerbsbesteuerung nach § 1b UStG in Betracht kommende Personengruppe (Rz. 13) muss beim Erwerb eines neuen Fahrzeugs die Erwerbsbesteuerung nur vornehmen, wenn es sich unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG um einen innergemeinschaftlichen Erwerb handelt. Diese Voraussetzungen sind insbesondere erfüllt, wenn das Fahrzeug bei einer entgeltlichen Lieferung aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland oder in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete (früher: Zollfreigebiete) gelangt. Eine Lieferung liegt vor, wenn das neue Fahrzeug aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaats durch Beförderung oder Versendung des Lieferers oder des Abnehmers (sog. Abholfall) gelangt.

 

Rz. 15a

Eine Erwerbsbesteuerung nach § 1b UStG kommt dementsprechend nur in Betracht, wenn der Lieferer des Neufahrzeugs in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig ist und das Fahrzeug von dort aus liefert. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU zum 31.1.2020 (sog. Brexit) gehört das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland nicht mehr zu den EU-Mitgliedstaaten, sondern zum Drittlandsgebiet i. S. d. § 1 Abs. 2a S. 3 UStG. Im Austrittsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich[1] ist jedoch eine Übergangsfrist enthalten, wonach das Unionsrecht während des Übergangszeitraums v. 1.2.2020 bis 31.12.2020 im Vereinigten Königreich weiterhin gilt. In diesem Übergangszeitraum behandeln die verbliebenen EU-Mitgliedstaaten das Vereinigte Königreich weiterhin wie einen EU-Mitgliedstaat. Das bedeutet für die Erwerbsbesteuerung neuer Fahrzeuge i. S. d. § 1b UStG, dass die bis zum 31.12.2020 ausgeführten Lieferungen von Neufahrzeugen aus dem gesamten Vereinigten Königreich z. B. an Privatpersonen im Inland bei diesen der Erwerbsbesteuerung unterliegen. Für Lieferungen um die Jahreswende 2020/2021 gilt nach Art. 51 Abs. 1 des Austrittsabkommens eine spezielle Übergangsregelung.[2]

Nach dem Ablauf des Übergangszeitraums zum 31.12.2020 ist das Vereinigte Königreich wie jeder andere Drittstaat zu behandeln. Das Handelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU v. 24.12.2020 trifft hierzu keine abweichenden Regelungen.

 

Rz. 15b

Eine Ausnahme gilt jedoch für Nordirland, für das im Protokoll zu Irland/Nordirland zum Austrittsabkommen (Rz. 15a) ein besonderer Status vereinbart wurde. Danach gelten für die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs (wozu auch die Lieferung von Neufahrzeugen gehört) weiterhin die MwStSystRL sowie weitere EU-Richtlinien und EU-Verordnungen.[3] Im Ergebnis ist ab dem 1.1.2021 bei der Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs mit dem Vereinigten Königreich zwischen Großbritannien (England, Schottland, Wales, Gibraltar) einerseits und Nordirland andererseits zu unterscheiden. Nordirland wird für die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs auch ab dem 1.1.2021 als zum Gemeinschaftsgebiet gehörig behandelt, während Großbritannien Drittlandsgebiet ist. Das bedeutet für die Erwerbsbesteuerung neuer Fahrzeuge i. S. d. § 1b UStG, dass auf die ab 1.1.2021 ausgeführten Lieferungen von Neufahrzeugen aus dem Gebiet von Nordirland z. B. beim Erwerb durch Privatpersonen im Inland § 1b UStG anzuwenden ist. Dagegen unterliegen die Erwerbe von Neufahrzeugen aus dem Gebiet von Großbritannien (England, Schottland, Wales, Gibraltar) ab 1.1.2021 der deutschen Einfuhrumsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG). Die Erwerbsbesteuerung nach § 1b UStG findet in diesem Fall – wie bei allen anderen Erwerben von Fahrzeugen aus dem Drittlandsgebiet – keine Anwendung.

 

Rz. 15c

Eine Besteuerung des Erwerbs von Neufahrzeugen i. S. d. § 1b UStG kommt nur in Betracht, wenn sich das betreffende Fahrzeug zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht noch nicht im Inland befand. Befand sich dagegen das Neufahrzeug im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht bereits im Inland, handelt es sich nicht um einen innergemeinschaftlicher Erwerb. Falls ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegeben ist, ist dieser in Deutschland nur steuerbar, wenn der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs[4] im Inland liegt. Nach § 3d S. 1 UStG wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Danach wird der innergemeinschaftliche Erwerb sowohl im Falle der Beförderung oder Versendung durch den (ausländischen) Lieferer als auch in sog. Abholfällen stets im Inland bewirkt, wenn sich das neue Fahrzeug am Ende der Beförderung oder Versendung im Inland befindet.

 

Rz. 16

Die zutreffende Bestimmung des Orts des innergemeinschaftlichen Erwerbs kann beim Erwerb von Wasserfahrzeugen (z. B. Segel- oder Motoryachten) von Lieferern aus anderen EU-Mitgliedstaaten schwierig sein. Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs liegt bei Wasserfahrzeugen im Inland, wenn sich das Wasserfahrzeug am Ende der Beförderung oder Versendung in Deutschland befindet. Nach der BFH-Rechtsprechung ist die Beförderung ein...

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