Rz. 238

Gem. § 1a Abs. 4 UStG können Schwellenerwerber (Rz. 192ff.), die auch im Kj. die Erwerbsschwelle voraussichtlich nicht erreichen, auf die Anwendung der Erwerbsschwelle verzichten und ihre Erwerbe freiwillig im Inland der Erwerbsbesteuerung nach § 1a Abs. 1 und 2 UStG unterwerfen. Als Verzicht gilt auch die Verwendung einer dem Erwerber erteilten USt-IdNr. gegenüber dem Lieferer.[1]  Die Option bietet die Möglichkeit, die Umsatzbesteuerung in den Mitgliedstaat mit dem niedrigeren Steuersatz zu verlagern, und eröffnet u. U. den Vorsteuerabzug.[2] Der Verzicht auf die Erwerbsschwellen kann daher von Vorteil sein, wenn der deutsche Steuersatz für den Erwerb niedriger ist als der ausländische Steuersatz, der auf die Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet anzuwenden ist, wenn das Ursprungslandprinzip gilt.

 
Praxis-Beispiel

Ein Krankenhaus in Deutschland hat nur Umsätze gem. § 4 Nr. 16 UStG, die den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 2 UStG ausschließen. Es kauft im Jahr 2013 in Dänemark ein medizinisches Gerät für 10.000 EUR. Weitere Erwerbe im Jahr 2013 werden nicht getätigt. Das Krankenhaus lässt das Gerät in Dänemark durch eigene Bedienstete abholen. Der Steuersatz in Dänemark beträgt 25 %, in Deutschland 19 %.

Selbst wenn der liefernde dänische Unternehmer die deutsche Lieferschwelle überschritten hätte, wäre § 3c UStG in diesem Fall nicht einschlägig, weil das Gerät vom Abnehmer abgeholt wird. Das Krankenhaus ist ein Erwerber i. S. v. § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG.[3]

Wenn das Krankenhaus in diesem Fall auf die Erwerbsschwelle gem. § 1a Abs. 4 UStG verzichtet, kann es sich in Dänemark steuerfrei beliefern lassen und muss dann den Erwerb in Deutschland versteuern. Die Steuerersparnis beträgt 6 %. Allerdings muss sich dann auch das deutsche Krankenhaus eine USt-IdNr. gem. § 17a UStG durch die deutschen Finanzbehörden erteilen lassen und eine USt-Voranmeldung gem. § 18 Abs. 4a UStG abgeben.

 

Rz. 239

Der Verzicht auf die Erwerbsschwelle gilt für alle innergemeinschaftlichen Erwerbe des Schwellenerwerbers im Kj.; es ist nicht möglich, nur bei einzelnen Erwerben oder gar bei Erwerbern aus Ländern mit höheren Steuersätzen als in Deutschland auf die Erwerbsschwelle zu verzichten. Der Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle bedeutet bei Kleinunternehmern nicht, dass sie gleichzeitig auch zur Regelbesteuerung gem. § 19 Abs. 1 UStG optieren müssen; denn als Regelbesteuerer würden sie ihre Schwellenerwerbereigenschaft und damit auch ihre Optionsmöglichkeit nach § 1a Abs. 4 UStG verlieren.

 

Rz. 240

Der Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle ist gegenüber dem FA zu erklären. Im Gegensatz zu § 19 Abs. 2 UStG bestehen keine Regelungen über Frist und Form der Erklärung. Gibt ein Schwellenerwerber eine USt-Voranmeldung ab und darin innergemeinschaftliche Erwerbe an (ausgenommen neue Fahrzeuge oder verbrauchsteuerpflichtige Waren, die stets der Erwerbsbesteuerung unterliegen, Rz. 243ff.), ist in der Anmeldung eine Verzichtserklärung zu sehen. Im Gegensatz zur früheren Verwaltungsansicht[4] gilt nach § 1a Abs. 4 S. 2 UStG[5] die Verwendung einer dem Erwerber erteilten USt-IdNr. gegenüber dem Lieferer als Verzichtserklärung.

 

Rz. 241

Allgemein wird angenommen, dass die Verzichtserklärung noch bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids für das Erwerbsjahr abgegeben werden kann.[6] Gegen diese Ansicht, die dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 S. 1 UStG entspricht, bestehen Bedenken, weil – im Gegensatz zur Kleinunternehmerregelung, bei der die Optionserklärung keine weiteren Auswirkungen auf die Besteuerung des Lieferanten hat – die Option zu steuerlichen Auswirkungen in einem anderen Mitgliedstaat führt. Es geht daher nicht an, die Be- und Nichtbesteuerung des Lieferers (im übrigen Gemeinschaftsgebiet und im Inland) in Schwebe zu halten, weil sich der Schwellenerwerber noch bis zum Ende der Festsetzungsfrist (z. B. bei Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung) oder am Schluss der mündlichen Verhandlung in einem Rechtsstreit zu einer Option entschließen könnte. Im innergemeinschaftlichen Verkehr sind daher die Umstände maßgebend, die im Zeitpunkt der Durchführung des Umsatzes gegolten haben.

 

Rz. 242

Die Verzichtserklärung bindet den Erwerber für mindestens zwei Kalenderjahre an den Verzicht[7], d. h. er gilt über dem Zeitraum von zwei Kalenderjahren hinaus weiter solange, bis er widerrufen wird. Der Verzicht kann nur für Wirkung zum Beginn eines Kalenderjahrs widerrufen werden. Rücknahme bzw. Widerruf des Verzichts nach dem Mindestzeitraum können bis zur Unanfechtbarkeit der USt-Jahresveranlagung erklärt werden; hiergegen bestehen Bedenken (Rz. 241).

[1] Abschn. 1a.1. Abs. 2 S. 6 UStAE.
[3] Und zugleich i. S. v. § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG, weil der steuerpflichtige Gesamtumsatz gem. § 19 Abs. 3 UStG, auf den es gem. § 19 Abs. 1 UStG ankommt, unter 17.500 EUR liegt.
[4] OFD Nürnberg v. 29.8.2002, S 7103a-12/St 43, UR 2003, 256.
[5] Eingefügt durch Jahr...

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