Rz. 120

Das Verbringen von Gegenständen des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, z.B Verbringen in eine inländische Betriebsstätte, gilt im Ausgangsmitgliedstaat als Lieferung gegen Entgelt[1] und als innergemeinschaftliche Lieferung[2] sowie im Inland nach § 1a Abs. 2 UStG als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt. Der verbringende Unternehmer gilt im Ausgangsland als Lieferer[3] und im Inland als Erwerber.[4] Das unternehmerische Verbringen ist im Ausgangsland steuerbefreit[5] und unterliegt im Inland der Erwerbsbesteuerung.[6] Ausgenommen hiervon ist das Verbringen zu einer nur vorübergehenden Verwendung. Die Vorschriften der §§ 6a Abs. 2 und 1a Abs. 2 UStG stellen sicher, dass Gegenstände im unternehmerischen Bereich stets mit der inländischen USt, d. h. mit der USt des Bestimmungslands, belastet sind, auch wenn dem Verbringen keine Lieferung i. S. v. § 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG zugrunde liegt. Außerdem wird vermieden, dass die Besteuerung von Unternehmensgegenständen in einen Mitgliedstaat mit günstigeren Steuersätzen und Vorsteuerabzugsmöglichkeiten verlagert wird; außerdem soll verhindert werden, dass Gegenstände in zwei Mitgliedstaaten und damit doppelt besteuert werden, z. B. wenn Vorsteuern im Abgangs- oder Ankunftsstaat nicht oder nicht voll abziehbar sind. Die Steuerbefreiung kann aber auch wichtig sein für Unternehmer in Ländern, in denen der Vorsteuerabzug nicht sofort gewährt wird.[7] Die Erwerbsbesteuerung entspricht der Vorsteuerentlastung im Ausgangsstaat. Besteht dort im Einzelfall ein Vorsteuerüberhang (z. B. bei der pauschalierten ratenweisen Vorsteuerentlastung), hat dieser Umstand keinen Einfluss auf die Erwerbsbesteuerung.[8]

 

Rz. 121

Vor dem 1. 1.1993 war das unternehmerische Verbringen von Gegenständen innerhalb der Union keine inländische Lieferung, sondern im Ausfuhrstaat umsatzsteuerlich ein nichtsteuerbarer Vorgang. Die Gegenstände unterlagen bei ihrer Einfuhr – wie auch weiterhin bei der Einfuhr aus dem Drittlandsgebiet – der EUSt. Bei befristeter Verwendung im Inland hatte der Unternehmer die Wahl, die Einfuhrbesteuerung durchzuführen oder die EUSt-Befreiung (der vorübergehenden Verwendung) in Anspruch zu nehmen. Nach den Vorstellungen der Mehrheit der EU-Ratsmitglieder war die umsatzsteuerliche Erfassung der Warenbewegungen über die Binnengrenzen unerlässlich und soll verhindern, dass die mit dem Wegfall der Grenzkontrollen und der EUSt innerhalb der EU nicht mehr zollamtlich erfassten unternehmensinternen Warenbewegungen der Besteuerung im Bestimmungsland entzogen werden.[9] Die mit der Besteuerung verbundenen Aufzeichnungs- und Meldepflichten ermöglichen den Finanzverwaltungen die lückenlose Überprüfung der unternehmerischen Warenbewegungen über die innergemeinschaftlichen Grenzen.[10] Die deutsche Regelung entspricht Art. 21 MwStSystRL.

 

Rz. 122

Die Voraussetzungen für einen innergemeinschaftlichen Erwerb liegen gem. § 1a Abs. 2 UStG vor, wenn

  • ein Gegenstand des Unternehmens
  • aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet
  • zur Verfügung des Unternehmers ins Inland verbracht wird und
  • vom Unternehmer dort nicht nur vorübergehend verwendet wird.
 

Rz. 123

Wie bei der EUSt unterliegen nur körperliche Gegenstände der Erwerbsbesteuerung (Art. 20 Unterabs. 1 MwStSystRL). Die Gegenstände müssen bereits vor ihrem Verbringen dem Unternehmen im übrigen Gemeinschaftsgebiet zugeordnet gewesen sein (Rz. 123). Ist der Gegenstand im Ausgangsstaat nur teilweise dem Unternehmen zugeordnet, erfolgt der Erwerb nur in entsprechendem Umfang.[11] Gemietete oder geleaste Gegenstände sind keine Gegenstände des Unternehmens (vgl. Rz. 49).

 

Rz. 124

Die Bewegung von Gegenständen innerhalb eines Unternehmens ist grundsätzlich ein umsatzsteuerlich unbeachtlicher Vorgang. Es handelt sich um nichtsteuerbare Warenbewegungen. Dies gilt auch für Warenbewegungen innerhalb eines Unternehmens über Staatsgrenzen hinweg, weil dem unternehmensinternen Verbringen keine Lieferung i. S. v. § 3 Abs. 1 UStG zugrunde liegt. Das Bestimmungslandprinzip erfordert die Umsatzbesteuerung dieser Vorgänge, soweit sie dazu führen, dass die verbrachten Gegenstände im Inland verbleiben sollen. Um diese Warenbewegungen im Binnenmarkt umsatzsteuerlich kontrollierbar zu erfassen, werden sie im Ausgangsstaat als entgeltliche innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt.[12] Ein Verbringen zur eigenen Verfügung liegt auch vor, wenn der Unternehmer den Gegenstand ins Inland befördert, um ihn dort zu verkaufen.[13] Ein innergemeinschaftliches Verbringen liegt nicht vor, wenn bei Beginn des Transports im Ausgangsstaat der Abnehmer im Inland bereits feststeht und der Gegenstand an ihn unmittelbar ausgeliefert wird.[14] Der Vorgang des Verbringens kann eine Beförderung oder ein Versenden zur eigenen Verfügung sein. Der Unternehmer braucht den Gegenstand nicht selbst zu befördern; er kann die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten (z. B. Spedition) ausführen oder besorgen lasse...

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