Rz. 20

Das MOSS-Verfahren können nur Unternehmer in Anspruch nehmen. Im Fall der Organschaft[1] muss die Anzeige durch den Organträger erfolgen, da nur dieser Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG ist.[2]

Wegen der Besonderheiten für Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder vgl. Rz. 58a.

 

Rz. 21

Das MOSS-Verfahren kann auch von sog. Kleinunternehmern nach § 19 UStG, die grenzüberschreitende TRFE-Leistungen in einen anderen EU-Mitgliedstaat erbringen, in Anspruch genommen werden. Denn Ausnahmeregelungen des Ansässigkeitsstaates für Kleinunternehmer sind insoweit, als sie in einem anderen Mitgliedstaat steuerbare Leistungen erbringen, aus Sicht dieses Verbrauchsmitgliedstaates nicht anwendbar.[3] Dies hatte vom 1.1.2015 bis 31.12.2018 zur Folge, dass deutsche Kleinunternehmer mit ihren TRFE-Leistungen an Endverbraucher in anderen Mitgliedstaaten vom ersten Eurocent an steuerpflichtig waren, ohne dass sie die in § 19 Abs. 1 S. 1 UStG genannten Geringfügigkeitsgrenzen für sich in Anspruch nehmen konnten. Sie konnten eine eigene Steuerpflicht für ihre Leistungen im anderen Mitgliedstaat allenfalls über § 3 Abs. 11a UStG, z. B. im Wege der Leistungserbringung über einen Portalbetreiber, vermeiden (Rz. 5). Kam dies nicht in Betracht, blieb als Erleichterung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten im Ausland nur das MOSS-Verfahren, welches aber wegen seiner auf eine Briefkastenfunktion beschränkten Bedeutung eine Unterwerfung unter das Besteuerungsregime des jeweiligen Verbrauchsmitgliedstaats nicht verhindern kann.

 

Rz. 21a

Da die Umstellung auf das Bestimmungslandprinzip insbesondere in dem auch Kleinunternehmer betreffenden Bereich elektronischer Dienstleistungen neue Bürokratiehindernisse geschaffen hatte, die durch die Möglichkeit zur Teilnahme am MOSS-Verfahren nur unzureichend kompensiert wurden, ist mWv 1.1.2019 in Art. 58 Abs. 2 bis 6 MwStSystRL eine besondere Kleinunternehmerregelung geschaffen worden (siehe aber Rz. 21b). Sie sieht für TRFE-Leistungen an Nichtunternehmer eine Ausnahme vom Empfängerortprinzip vor, wenn

  1. der Unternehmer nur in einem Mitgliedstaat ansässig ist,
  2. die Leistungen an Leistungsempfänger erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, und
  3. der Nettogesamtbetrag dieser Leistungen nach Buchst. b im vergangenen und laufenden Jahr 10.000 EUR nicht überschritten hat.

Der Unternehmer kann auf die Anwendung dieser Sonderregelung verzichten und ist an diese Entscheidung zwei Kalenderjahre gebunden. Bei dem Betrag von 10.000 EUR handelt es sich um einen Schwellenwert, dessen Überschreiten zur sofortigen Anwendung des Empfängerortprinzips führt.[4] Die Regelung ist in § 3a Abs. 5 S. 3 bis 5 UStG in nationales Recht umgesetzt worden.[5] Sie schafft zwar in gewissem Umfang eine Erleichterung für Kleinunternehmer, ist jedoch, da sie nicht auf die deutsche Kleinunternehmerregelung abgestimmt ist, deren Gesamtumsatzgrenze zudem zum 1.1.2020 auf 22.000 EUR angehoben worden ist, auch eine zusätzliche Komplikation und damit kein brauchbarer Beitrag zur Rechtsvereinfachung.

 

Rz. 21b

Die in Rz. 21a erläuterten Kleinunternehmerregelungen in Art. 58 Abs. 2 bis 6 MwStSystRL sind mWv 1.7.2021 in Art. 59c MwStSystRL überführt worden.[6] Sie gelten damit über den bisherigen Anwendungsbereich des Art. 58 MwStSystRL hinaus auch für ab diesem Stichtag ausgeführte innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach Art. 33 Buchst. a MwStSystRL, nicht aber für die sonstigen Anwendungsfälle der OSS-EU-Regelung. Die Umsetzung in nationales Recht erfolgte – ebenfalls mWv 1.7.2021 – durch Anpassung des § 3a Abs. 5 S. 3 UStG sowie in § 3c Abs. 4 UStG.[7]

 

Rz. 22

Der die TRFE-Leistung erbringende Unternehmer muss im Inland ansässig sein. Wann ein Unternehmer i. S. d. § 18h Abs. 1 S. 1 UStG im Inland ansässig ist, bestimmt § 18h Abs. 5 UStG. Ansässigkeit im Inland liegt danach vor, wenn der leistende Unternehmer im Inland seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder, im Fall der Ansässigkeit im Drittland, eine Betriebsstätte hat. § 18h Abs. 5 UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 369a S. 1 Nr. 1 MwStSystRL i. V. m. Art. 369b MwStSystRL, die allerdings zusätzlich negativ voraussetzen, dass der Unternehmer nicht im Mitgliedstaat des Verbrauchs ansässig ist.

 

Rz. 23

Der Inlandsbegriff richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des § 1 Abs. 2 S. 1 UStG. Die Begriffe Sitz, Geschäftsleitung und Betriebsstätte dagegen sind im nationalen Umsatzsteuerrecht nicht definiert. Auch die Regelungen des § 13b Abs. 7 UStG und § 59 S. 2 UStDV bestimmen lediglich negativ, dass ein im Ausland ansässiger Unternehmer weder Sitz, Geschäftsleitung noch Betriebsstätte im Inland hat. Art. 369a MwStSystRL enthält ebenfalls keine Definition der Ansässigkeitsmerkmale. Unionsrechtlich werden allerdings der in der MwStSystRL allgemein gebräuchlichen Diktion[8] folgend die Begriffe "Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit" (statt "Sitz oder Geschäftsleitung") und "feste Niederlassung" (statt "Betriebsstätte") verwendet, zu denen die Art....

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