Rz. 37

Der Wortlaut des Gesetzes "… kann die Zustimmung … von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden" stellt die Entscheidung über die Auszahlung von Vorsteuerüberhängen gegen Sicherheitsleistung in das (pflichtgemäße) Ermessen der Finanzbehörde, was vor allem eine nur beschränkte Überprüfungsmöglichkeit durch das Finanzgericht zur Folge hat.[1] Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten[2], dies gilt sowohl für die Frage, "ob" eine Sicherheitsleistung verlangt wird – also das Entschließungsermessen –, als auch für die Frage nach der zu treffenden Rechtsfolge - also das Auswahlermessen - z. B. hinsichtlich Art und Höhe der Sicherheitsleistung. Da § 18f UStG zu einer Reihe abgaben- bzw. verfahrensrechtlicher Regelungen gehört – insbes. §§ 25d, 26b, 26c und 27b UStG –, welche mit dem Ziel in das UStG aufgenommen wurden, den Umsatzsteuerbetrug zu bekämpfen (Rz. 3), ist der Entscheidungsspielraum der Finanzbehörde jedenfalls derart eingeschränkt, dass sie nicht in jedem Fall eines Vorsteuerüberhangs den Unternehmer um eine Sicherheitsleistung ersuchen kann, sondern dabei immer vom Zweck der Regelung – der Bekämpfung des Steuermissbrauchs und der Sicherung des Steueraufkommens – auszugehen hat.[3] Dabei wird eine "Sicherung des Steueraufkommens" aber häufig als Ermessensgrund angeführt werden können, denn die spätere Uneinbringlichkeit einer Steuerforderung – insbesondere, wenn es sich um einen höheren Betrag handelt –, dürfte bei der Begehung von Steuerhinterziehungen oft zu befürchten sein.

 

Rz. 38

Allgemein muss sich die Finanzbehörde bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 18f UStG auch von den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung leiten lassen, wonach einerseits der Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist, andererseits aber auch die Bekämpfung von Missbräuchen und Steuerhinterziehung ein von der MwStSystRL anerkanntes Ziel ist (Rz. 18a).[4] Ansonsten sind allerdings weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der Verwaltungsanweisung klare Leitlinien für die Ausübung des Ermessens zu erkennen, sodass hier im Wesentlichen nur auf die genannten allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden kann.

 

Rz. 39

Zu beachten ist zunächst, dass die Finanzbehörde bei dem Verlangen nach einer Sicherheitsleistung diese nicht zum Anlass nehmen darf, eine nach ihrer Auffassung erforderliche Prüfung hinauszuzögern[5], bereits der Umstand der Durchführung einer Prüfung darf von der Finanzbehörde nicht von der vorhergehenden Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden.[6] In beiden Fällen würde die Sicherheitsleistung im Verhältnis zum Zweck der Regelung zu fremden (ermessensfehlerhaften) Zielen eingesetzt, einmal der Verzögerung einer Prüfung und einmal der Durchführung einer Prüfung. Generell gilt, dass die Finanzbehörde den Sachverhalt aufzuklären hat, wenn Zweifel an der Richtigkeit einer Steuererklärung bestehen; dies ergibt sich schon aus dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 88 AO. Das Verlangen nach einer Sicherheit ist kein Ersatz für eine Prüfung durch die Finanzbehörde; entsprechende Ermessenserwägungen wären fehlerhaft.

 

Rz. 40

Bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 18f UStG sind auch die Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Verhältnismäßigkeit der Mittel, der Erforderlichkeit, der Zumutbarkeit, der Billigkeit und von Treu und Glauben sowie das Willkürverbot und das Übermaßverbot zu beachten.[7] Die Finanzbehörde muss i. d. S. nach pflichtgemäßem Ermessen die Fälle auswählen, in denen sie den Unternehmer um eine Sicherheitsleistung ersucht. Von daher dürften die bei Schaffung des § 18f UStG vom Wirtschaftsausschuss des Bundesrats genannten Befürchtungen unbegründet sein, § 18f UStG könne in der Praxis der FÄ zu einer "allgemeinen Vorsteuerbürgschaft" führen.[8] Diese Befürchtung hat sich auch bis heute nicht bestätigt, in der Praxis werden Sicherheitsleistungen meiner Kenntnis nach eher selten verlangt.

 

Rz. 41

Die Frage, wann eine Sicherheitsleistung denn konkret zu fordern ist, ist in erster Linie aus dem Gesetzeszweck – der Bekämpfung des Steuerbetrugs – zu ersehen. Danach dürfte dies dem Grunde nach immer gerechtfertigt sein, wenn eine eventuelle Rückforderung der Steuervergütung gefährdet erscheint.[9] Die Verwaltungsanweisung[10] spricht allerdings m. E. zu vage von "Zweifeln an der Richtigkeit der eingereichten Steueranmeldung". Hier darf insbesondere nicht verkannt werden, dass Vorsteuerüberhänge – und damit u. U. auch eventuelle Zweifel an der Richtigkeit von Steueranmeldungen – gerade bei neu gegründeten Unternehmen mit geringen finanziellen Rücklagen auftreten können; die Dauer des Bestehens eines Unternehmens sowie dessen finanzielle Situation können aber für sich alleine noch keine "Zweifel" an der Richtigkeit einer Steueranmeldung begründen. Andererseits kann das aber z. B. für die Anm...

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