Rz. 69

Mit der RL 2008/9/EG des Rates v. 12.2.2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der RL 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige[1] wurde das bis 31.12.2009 in der sog. 8. EG-RL[2] geregelte Verfahren der Erstattung von Mehrwertsteuern an EU-Unternehmer auf eine neue Grundlage gestellt. Die 8. EG-RL wurde mWv 1.1.2010 aufgehoben.[3] Die RL 2008/9/EG gilt für Erstattungsanträge, die nach dem 31.12.2009 gestellt werden.[4] Die Grundvoraussetzungen des Erstattungsverfahrens (Erstattungsberechtigte, Nichtansässigkeit des antragstellenden Unternehmers, keine oder nur bestimmte Umsätze im Erstattungsstaat u. Ä.) waren gegenüber der 8. EG-RL unverändert geblieben. Neu war, dass einzelne verfahrensrechtliche Aspekte näher bestimmt und vereinfacht und die Rechte der Antragsteller, z. B. durch verkürzte Bearbeitungsfristen und eine Verzinsung der Erstattungsansprüche, gestärkt wurden. Wie im bis 31.12.2009 geltenden Recht scheidet ein Erstattungsverfahren aus für in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen, die nach Art. 138 MwStSystRL (innergemeinschaftliche Lieferungen) oder nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL (Ausfuhrlieferungen, Beförderung oder Versendung durch Abnehmer) steuerfrei sind oder befreit werden können (Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung Art. 4 Buchst. b der RL 2008/9/EG). Gleiches gilt – und das ist erstmals[5] kodifiziert – für nach den Rechtsvorschriften des Erstattungsstaates fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge.[6] Damit scheidet ein Vorsteuerabzug (hier Erstattung) aus für Steuern, die nur aufgrund eines unzutreffenden Steuerausweises, nicht aber aufgrund des Umsatzes geschuldet werden.

Die Bestimmungen der RL 2008/9 verbieten es einem Mitgliedstaat, einem im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässigen Steuerpflichtigen den Anspruch auf Erstattung der MwSt allein deshalb zu versagen, weil er im Mitgliedstaat der Erstattung zu Mehrwertsteuerzwecken registriert ist oder sein müsste. Weder Art. 170 MwStSystRL noch Art. 3 der RL 2008/9 unterwirft den Anspruch eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen auf Erstattung der MwSt einer formellen Voraussetzung, im Mitgliedstaat der Erstattung nicht zu MwSt-Zwecken registriert zu sein oder sein zu müssen.[7]

Der EuGH hat auf Klage der EU-Kommission entschieden[8], dass Deutschland dadurch gegen Art. 5 der RL 2008/9/EG verstoßen, dass Vergütungsanträge abgelehnt wurden, die vor dem 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahrs gestellt wurden, denen aber nicht die Kopien der Rechnungen oder der Einfuhrdokumente, die gem. Art. 10 der RL 2008/9 von den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der Erstattung verlangt werden, beigefügt sind, ohne die Antragsteller zuvor aufzufordern, ihre Anträge durch die – erforderlichenfalls nach diesem Zeitpunkt erfolgende – Vorlage dieser Kopien zu ergänzen oder sachdienliche Informationen vorzulegen, die die Bearbeitung dieser Anträge ermöglichen. Anträge auf Vorsteuervergütung, die fristgerecht gestellt wurden, müssen nach dieser Rechtsprechung auch dann noch bearbeitet werden, wenn fehlende Belege oder Informationen (auf zuvor ergangene Aufforderung diese nachzureichen) erst nach Ablauf der Antragsfrist eingehen. Die Verwaltung ist dem EuGH-Urteil gefolgt. Vor Ablehnung eines Vergütungsantrages, der innerhalb der Antragsfrist gestellt wurde, dem aber nicht die Kopien der Rechnungen oder der Einfuhrdokumente beigefügt waren, ist der Unternehmer zur Vorlage der entsprechenden Kopien oder sachdienlicher Informationen aufzufordern, die die Bearbeitung dieser Anträge ermöglichen, und zwar unabhängig davon, ob die Antragsfrist für den zugrundeliegenden Vergütungszeitraum zum Zeitpunkt der Bearbeitung bereits abgelaufen ist.[9]

 

Rz. 70

Art. 6 der RL 2008/9/EG regelt die Ermittlung des Erstattungsbetrags. Grundvoraussetzung für eine Erstattung im Erstattungsstaat ist, dass der Antragsteller Umsätze bewirkt, die in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, ein Recht auf Vorsteuerabzug begründen.[10] Bewirkt der Antragsteller in seinem Ansässigkeitsstaat sowohl Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die das Vorsteuerabzugsrecht im Ansässigkeitsstaat nicht besteht, darf der Erstattungsstaat aus dem nach Art. 5 der RL erstattungsfähigen Betrag nur den Teil erstatten, der entsprechend der Anwendung von Art. 173 MwStSystRL (Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs) im Ansässigkeitsstaat auf die den Vorsteuerabzug eröffnenden Umsätze entfällt.

 

Rz. 71

Ab 1.1.2010 können die Antragsteller ihre Erstattungsanträge nur noch elektronisch, nicht mehr auf Papier, einreichen. Art. 7 der RL 2008/9/EG regelt die Verpflichtung des den antragstellenden Unternehmers, einen elektronischen Erstattungsantrag an den Erstattungsstaat zu richten und den Antrag im Ansässigkeitsstaat über das von diesem Staat eingerichtete elektronische Por...

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