Rz. 93

Das Verhältnis zwischen Jahreserklärung und Voranmeldung ist nicht leicht zu fassen. Dies liegt m. E. daran, dass das System der USt unter Umsetzung der europäischen Vorgaben einer Mehrwertsteuer nach der MwStSystRL eine Anmeldesteuer mit fortgesetzten Voranmeldungen ist. Die anschließend für den "Besteuerungszeitraum" abzugebende Jahreserklärung stellt einen Fremdkörper in diesem System dar und ist eigentlich auch überflüssig. Da sämtliche Steuern mit "Ablauf eines Voranmeldungszeitraums" nach § 13 UStG entstehen, bedürfte es eigentlich nur einer "Jahresvoranmeldung" für die Unternehmer, die weder vierteljährlich noch monatlich eine Voranmeldung abzugeben haben. Auch in den Fällen, in denen sich mit der Übermittlung der Jahreserklärung Abweichungen zu den Voranmeldungen ergeben, könnten auch diese Abweichungen einem Voranmeldungszeitraum[1] zugeordnet werden. Mit anderen Worten: Die Differenzen könnten auch durch Übermittlung einer oder mehrerer berichtigter Voranmeldungen beseitigt werden. Bei der LSt-Anmeldung wird dieses System auch konsequent verwirklicht, hier ist die Jahresmeldung durch den Arbeitgeber nicht vorgesehen, das Anmeldesystem wird dort konsequent durchgeführt.

 

Rz. 94

Anders bei der USt: Hier kommt der Voranmeldung eine Zwitterstellung zwischen einer echten Anmeldung und einer Vorauszahlung zu. Deshalb wirken auch die Erläuterungen zu dem Verhältnis zwischen Jahreserklärung und Voranmeldung irgendwie holperig, und das sind sie letztlich auch. Im Urteil v. 3.11.2005[2] führt der BFH aus, dass der im Revisionsverfahren ergangene Umsatzsteuerjahresbescheid den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid, der Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen ist, i. S. d. § 68 Abs. 1 S. 1 FGO ersetzt hat. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, so wird gemäß der auch im Revisionsverfahren[3] geltenden Vorschrift des § 68 FGO der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das gilt auch für den Umsatzsteuerjahresbescheid im Verhältnis zum Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid.[4] Der BFH[5] begründet dies damit, dass ein Verwaltungsakt über die Festsetzung der auf den Voranmeldungszeitraum nach § 18 Abs. 2 S. 1 UStG entfallenden USt (Vorauszahlungsbescheid) wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder auf andere Weise erledigt ist.[6] Ein wirksam ergangener Jahresumsatzsteuerbescheid erledigt nach Auffassung des BFH die Steuerfestsetzung der Vorauszahlungsbescheide. Auf "andere Weise" bedeutet anders als durch Zurücknahme, Widerruf, Aufhebung oder Zeitablauf. Nach Auffassung des BFH geht die Steuer für den Voranmeldungszeitraum[7] auf; die materiell zutreffende Jahressteuer ist gleich der Summe der materiell zutreffenden (positiven oder negativen) Steuern der Voranmeldungszeiträume. Die nicht mehr auf bloße "Vorauszahlungen" bezogene Jahressteuerfestsetzung löst somit die auf Voranmeldungen[8] oder Vorauszahlungsbescheiden[9] beruhenden Steuerfestsetzungen für die Voranmeldungszeiträume ab.

 

Rz. 95

Daraus folgt für ein Rechtsbehelfsverfahren, dass ein Einspruch, der gegen eine Voranmeldung gerichtet war, sich nach dem wirksamen Ergehen eines Jahressteuerbescheids gegen die Jahreserklärung richtet, weil diese die Voranmeldungen ersetzt hat. Deutlich wird dies auch bei der Bemessung der Steuer aufgrund der Jahreserklärung. Diese wird für das gesamte Kj. in voller Höhe festgesetzt und nicht etwa nur in Höhe der Differenz zwischen Voranmeldungen und Jahreserklärung – allerdings nur in Höhe der entstandenen Differenz erhoben (vgl. Rz. 76).

 

Rz. 96

Weiter beschreibt der BFH[10] die Wirkung des Jahressteuerbescheids in der Weise, dass die vorangegangenen Festsetzungen für die Voranmeldungszeiträume in ihrer feststellenden Wirkung überholt sind und nicht nur – wie z. B. bei Änderung eines Steuerbescheids gem. § 173 Abs. 1 AO[11] – erweitert oder eingeschränkt werden. Zudem könne zwar der Umsatzsteuerjahresbescheid nach Maßgabe der für seine Änderung geltenden gesetzlichen Vorschriften aufgehoben oder geändert werden; sein wirksames Ergehen vorausgesetzt kann er aber nicht mit der Wirkung aufgehoben werden, dass an seiner Stelle wieder die Festsetzungen für die Voranmeldungszeiträume maßgeblich würden. Damit sind die Festsetzungen für die Voranmeldungszeiträume nach Ergehen des Jahressteuerbescheids materiell-rechtlich erledigt.

 

Rz. 97

Allerdings, und auch darauf weist der BFH hin, bleiben davon unabhängig die Rechtswirkungen, welche der Vorauszahlungsbescheid als solcher in der Vergangenheit ausgelöst hat, bestehen. So wird z. B. eine zuvor erfolgte Maßnahme der Vollstreckung dadurch nicht unwirksam[12], sich auf bestimmte Voranmeldungen beziehende Verspätungszuschläge bleiben bestehen (vgl. Rz. 81). Insbesondere bleibt die Fälligkeit gem. § 220 AO noch ausstehender Vorauszahlungen aus Voranmeldungen bestehen, was durch § 18 Abs. 4 S. 3 UStG auch gesetzlich normiert ist.

 

Rz. 98

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