Rz. 264

Der Unternehmer kann gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG i. d. F. ab dem 30.6.2013 (Rz. 20) die geschuldete EUSt für eingeführte Gegenstände als Vorsteuer abziehen. Bis zum Urteil des EUGH v. 29.3.2012[1] herrschte in Deutschland die Praxis, gestützt auf den Wortlaut des § 15 Abs. Nr. 4 UStG vor dem 30.6.2013, dass nur die entrichtete EUSt abziehbar sei – obschon Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie und jetzt Art. 168 Buchst. e sowie Art. 178 Buchst. e MwStSystRL nur darauf abstellen, dass die EUSt geschuldet wird oder entrichtet wurde. Angesichts dieses klaren Verstoßes des deutschen § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG gegen die unionsrechtlichen Vorgaben hatten die betroffenen Steuerpflichtigen ein unmittelbares Berufungsrecht auf die gegenüber deutschem Recht günstigeren Normen des Unionsrechts. Alle Verwaltungsanweisungen, z. B. in Abschn. 15.8 UStAE, die von der Entrichtung der EUSt als Voraussetzung für ihren Abzug ausgehen, sind damit obsolet.

Der EuGH hat sich in seinem Urteil v. 29.3.2012 nur an den eindeutigen und nicht auslegungsbedürftigen Wortlaut des Art 168 MwStSystRL gehalten und dabei klar gemacht, dass das Recht zum Abzug der EUSt ebenso wie die binnenländische Vorsteuer nach dem Sollprinzip nur voraussetzen, dass die EUSt entstanden ist und damit geschuldet wird.

 

Rz. 265

Allerdings bedeutet das nicht, dass eine endgültig nicht entrichtete EUSt abzugsfähig bleibt. § 17 Abs. 3 UStG ordnet an, dass der Vorsteuerabzug zu berichtigen ist, wenn abgezogene EUSt herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden ist. Das muss entsprechend gelten, wenn abgezogene EUSt endgültig nicht bezahlt wird, z. B. bei einer Insolvenz. Hierfür spricht, dass das EuGH-Urteil v. 20.3.2013 ausdrücklich formuliert, dass der Abzug der EUSt nicht von ihrer "tatsächlichen vorherigen Zahlung" abhängig ist. Eine tatsächliche Zahlung muss aber durchaus, wenn auch später, erfolgen.

 

Rz. 266

Entrichtet ist die Steuer, wenn sie an die Zollkasse abgeführt worden ist. Über die Zahlung erhält der Steuerschuldner eine Zollquittung. Dieser zollamtliche Beleg dient als Nachweis für die Entrichtung der EUSt. Die EUSt kann gem. § 222 AO gestundet werden. Gestundete Steuer ist nicht erst nach ihrer Entrichtung abzugsfähig, denn die Stundung ändert nichts daran, dass die EUSt geschuldet wird. Es ist gleichgültig, ob der Unternehmer oder der Vorlieferer oder ein Beauftragter (Spediteur, Handelsvertreter usw.) die EUSt entrichtet hat.[2] Hat die EUSt ein anderer als der Unternehmer entrichtet, muss dieser sich, um die Buchnachweispflichten erfüllen zu können, vom EUSt-Schuldner den Zahlungsbeleg aushändigen lassen. Ein Beleg, in dem die gesamten Eingangsabgaben (z. B. Zoll, EUSt und Mineralölsteuer) nach einem pauschalierten Satz in einer Summe angegeben sind, reicht für die Vornahme des Vorsteuerabzugs nicht aus.

 

Rz. 267

Der Zeitpunkt des Abzugs der EUSt richtet sich danach, wann die geschuldete EUSt entstanden ist.[3] Die besonderen Regelungen in § 16 Abs. 2 UStG, die auf die Entrichtung der EUSt abstellten, wurden durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz zum 30.6.2013 aufgehoben.[4]

 

Rz. 268

Die Dienstanweisungen des BMF zur EUSt in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung (VSF) – Stoffgebiet Zoll, Abschn. EUSt, Fachteil Z 8100 enthalten umfassende Erläuterungen und Durchführungsbestimmungen für die Zollverwaltung zu den Vorschriften des UStG über die EUSt und zur EUStBefrO in der jeweils geltenden Fassung. In dieser für die Zollverwaltung ergangenen Dienstanweisung (VSFZ 8204) wird ausgeführt, dass eine genaue Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die EUSt[5] nur in den Fällen erforderlich ist, in denen der Abzugsberechtigte den Vorsteuerabzug nicht oder nicht voll in Anspruch nehmen kann; denn bei voller Abzugsberechtigung wirkt sich ein zu niedrig oder zu hoch festgesetzter Steuerbetrag infolge des systembedingten Nachholeffekts steuerlich nicht aus. Die Frage der vollen Abzugsberechtigung bezieht sich bei jeder Einfuhr auf die jeweilige Verwendung des eingeführten Gegenstands. Bewirkt bspw. ein Unternehmer neben Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, auch solche, die den Vorsteuerabzug ausschließen[6], so gilt dieser Unternehmer trotzdem als voll Abzugsberechtigter i. S. d. Dienstanweisung, wenn er den eingeführten Gegenstand ausschließlich zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die der Vorsteuerabzug zugelassen ist. Diese Beurteilung ergibt sich aus § 15 Abs. 2 UStG (Umkehrschluss).

 

Rz. 269

Die Zollstellen werden im Zweifelsfall eine Erklärung des Zollbeteiligten – bei Einfuhren im Sammelzollverfahren des Zulassungsinhabers – über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug verlangen. Wird diese Erklärung nicht glaubhaft gemacht, muss die Bemessungsgrundlage genau ermittelt werden. Nach der beispielhaften Aufzählung in der Dienstanweisung zu § 11 UStG (VSFZ 8204) sind i. d. S. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt:

  • Alle privaten (nicht gewerblichen) Letztverbraucher,
  • die j.P.ö.R. (z. B. Bund, Länder und Gemeinden), soweit sie n...

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