Rz. 144

Mit dem zum 1.4.1999 eingefügten S. 4 von § 15 Abs. 1 UStG, der aber wegen der erst später wirksamen unionsrechtlichen Genehmigung erst ab dem 5.3.2000 Geltung erlangte (Rz. 146), hat der Gesetzgeber die schon früher von der Verwaltung für maßgeblich gehaltene 10 %-Grenze in das Gesetz eingefügt, allerdings nur für körperliche Gegenstände. Bei körperlichen Gegenständen ist damit eine Zuordnung zum Unternehmen nur zulässig, wenn eine mindestens 10 %ige Nutzung für unternehmerische Zwecke stattfinden soll.[1]

 

Rz. 145

Beim Bezug von Dienstleistungen, z. B. bei der Anmietung von Maschinen oder Fahrzeugen für das Unternehmen, ist die Zuordnung der Vermietungsleistung zum Unternehmen auch dann möglich, wenn der gemietete Gegenstand zu weniger als 10 % für unternehmerische Zwecke genutzt wird. Im österreichischen UStG (§ 12 Abs. 2 Nr. 1a) gilt auch eine 10-%-Grenze, aber auch für Dienstleistungen.

 

Rz. 146

Die 10-%-Grenze gem. § 15 Abs. 1 S. 4 UStG findet in der MwStSystRL ebenso wie früher in der 6. EG-Richtlinie keine unmittelbare Rechtsgrundlage. Nur durch eine Ermächtigung gem. Art. 27 der 6. EG-Richtlinie – jetzt Art. 395 MwStSystRL – war und ist sie EG-rechtlich abzusichern. Diesen Weg hatte der EuGH[2] in dem Urteil v. 11.7.1991 aufgezeigt, denn man kann sicher für diese 10-%-Grenze den Vereinfachungseffekt anführen, der für eine Ermächtigung nach dem erwähnten Art. 27 erforderlich ist. Erstmals mit der Entscheidung v. 28.2.2000 hat der Rat der Europäischen Union der Bundesrepublik Deutschland eine entsprechende Ermächtigung erteilt, allerdings nur bis Ende 2002.[3] Diese Entscheidung wurde am 4.3.2000 veröffentlicht, sodass sie erstmals ab dem 5.3.2000 wirkte. Durch die (einstimmige) Entscheidung des EU-Ministerrats v. 13.5.2003 ist diese Ermächtigung rückwirkend zum 1.1.2003 bis zum 1.7.2004 aus Gründen der Steuervereinfachung verlängert worden.[4] Eine erneute, wiederum rückwirkende Verlängerung, nunmehr bis zum 31.12.2009 brachte die Ratsentscheidung v. 19.11.2004.[5] In der Zeit v. 1.4.1999 bis 4.3.2000, v. 1.1.2003 bis 17.5.2003 sowie v. 1.7.2004 bis zum 2.12.2004 haben die Steuerpflichtigen somit das Recht, sich unmittelbar auf Art. 17 der 6. EG-Richtlinie zu berufen, weil es für die 10-%-Grenze in § 15 Abs. 1 UStG in diesen Zeiträumen an einer EG-rechtlichen Ermächtigung fehlte.[6]

Durch den Ratsbeschluss v. 20.10.2009[7] ist die Regelung für Deutschland bis Ende 2012 verlängert worden. Und nach dem Ratsbeschluss v. 13.11.2013[8] galt die 10-%- Grenze bis zum Ende des Jahres 2015.

Der Ratsbeschluss v. 10.12.2015[9] verlängerte die Geltung bis Ende 2018. Durch den Ratsbeschluss v. 20.12.2018[10] wurde die Ermächtigung erneut verlängert, nunmehr bis zum 31.12.2021. Und der Ratsbeschluss v. 5.10.2021[11] verlängerte die Ermächtigung bis zum 31.12.2024.

 

Rz. 146a

Der BFH hatte mit Beschluss v. 16.6.2015[12] den EuGH um Vorabentscheidung darüber angerufen, ob die Ermächtigung v. 19.11.2004 nur für die in Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 26 MwStSystRL) geregelten Fälle gilt – das ist die Verwendung des bezogenen Gegenstands auch für private Zwecke und den privaten Bedarf des Personals – oder auch für die sog. unternehmensfremden Zwecke i. S. d. EuGH-Urteils VNLTO v. 12.2.2009[13] maßgeblich sein soll. Im Jahr 2004 war freilich die vom EuGH erst im Jahr 2009 getroffene Unterscheidung der verschiedenen Sphären eines Unternehmens noch gar nicht bekannt.

 

Rz. 146b

Der EuGH hielt im Urteil v. 15.9.2016[14] die Ermächtigung v. 19.11.2004 für nicht ausreichend für die deutsche Regelung. Der BFH hat im Urteil v. 16.11.2016 dementsprechend entschieden, s. Rz. 136b.

 

Rz. 146c

In Rz. 136c ist dargelegt, dass die ab dem 1.1.2016 bis zum 31.12.2018 geltende Ermächtigung die Regelung in § 15 Abs .1 S. 2 UStG aber nun abdeckt.[15] Bei der erneuten Verlängerung der Ermächtigung bis Ende 2021[16] hat sich an deren inhaltlichen Fassung nichts geändert.

 

Rz. 147

Eigentlich gehörten die in Rz. 146 dargestellten Befristungen gesetzlicher Regelungen im Interesse der Normenklarheit und Gesetzeshygiene in den dafür vorgesehenen § 28 UStG. Der Stpfl. kann gegenwärtig durch bloße Lektüre des UStG nicht erkennen, dass die 10-%-Grenze in § 15 Abs. 1 UStG EU-rechtlich befristet ist. Es ist unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gebots der Normenklarheit eine ungehörige Zumutung des Gesetzgebers an den Normadressaten, sich erst durch Lektüre des Amtsblatts der EU darüber zu vergewissern, welche Norm des deutschen UStG wie lange unionsrechtlich gelten darf. Und übrigens ist die Antragstellung auf Verlängerung derartiger Ermächtigungen Sache der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, nicht der Parlamente. Damit kann in Deutschland die Bundesregierung mit ihrer Antragstellung oder dem Nichtstellen eines Antrags darüber entscheiden, ob eine vom Gesetzgeber – Bundestag und Bundesrat – beschlossene Vorschrift weiterhin gelten soll. Das ist angesichts des geltenden Prinzips der Gewaltenteilung bemerkenswert und schwer erträgl...

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