Rz. 34

Grundsätzlich ist jeder Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt, ohne Rücksicht darauf, ob er im Inland oder Ausland Umsätze bewirkt; die persönliche Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist auch nicht davon abhängig, ob der Unternehmer im Inland[1] seinen Sitz hat oder dort eine Betriebsstätte unterhält. Die dazu in § 13b Abs. 7 UStG geltenden Regelungen spielen bei § 15 UStG keine Rolle.

 

Rz. 35

Diese Bestimmung des zum Vorsteuerabzug grundsätzlich berechtigten Personenkreises auf alle Unternehmer aus der ganzen Welt entspricht inhaltlich Art. 169 MwStSystRL, wonach den Steuerpflichtigen – das sind nach dem Sprachgebrauch der EU-Richtlinien die Unternehmer i. S. v. § 2 UStG – der Vorsteuerabzug auch für Tätigkeiten zu gewähren ist, die mit im Ausland ausgeübten unternehmerischen Tätigkeiten zusammenhängen, wenn für diese Tätigkeiten, würden sie im Inland ausgeführt, das Recht zum Vorsteuerabzug bestünde. Diese Vorgabe der MwStSystRL ist mit § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG umgesetzt worden. Insofern weicht § 15 UStG zwar im gesetzestechnischen Aufbau, nicht aber inhaltlich von Art. 169 MwStSystRL ab.

 

Rz. 36

Hinsichtlich des berechtigten Personenkreises hatte das UStG seit dem 1.1.1980 von der Möglichkeit, Unternehmer mit Sitz außerhalb der EG ohne Umsätze im Inland von der Erstattungsberechtigung bei den Vorsteuern auszuschließen, was gem. Art. 17 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie zulässig ist und wie es auch die auf dieser Vorschrift beruhende 8. EG-Richtlinie vorsieht, keinen Gebrauch gemacht. Erst durch Art. 20 Nr. 13 des Jahressteuergesetzes 1996 ist die Ermächtigung in § 18 Abs. 8 UStG für das Vorsteuervergütungsverfahren so eingeschränkt worden, dass Vorsteuern aus Reisekosten und Treibstoffbezügen keinesfalls mehr erstattet werden können; für die anderen Vorsteuern gilt das Gegenseitigkeitsprinzip.[2]

 

Rz. 37

Bereits in Rz. 24 wurde darauf hingewiesen, dass die Unternehmereigenschaft stets nach dem Tatbestand des § 2 UStG zu prüfen ist. Dies bedeutet, dass die irgendwo auf der Welt entfalteten Aktivitäten unternehmerisch i. S. v. § 2 UStG sein müssen, um zur Vorsteuerabzugsberechtigung führen zu können. Da der Unternehmerbegriff auch innerhalb der EU noch nicht völlig harmonisiert ist – Art. 9 MwStSystRL spricht nur vom Steuerpflichtigen, und dieser Begriff ist nicht in vollem Umfang identisch mit den Tatbestandsmerkmalen des § 2 UStG –, kann es dazu kommen, dass die Beurteilung der Unternehmereigenschaft nach deutschem Recht von dem Recht des Sitzlandes des Betroffenen abweicht. So war es bis zum Urteil des EuGH vom13.6.2019[3] bei der Einordnung der Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. In Deutschland galt die Tätigkeit des Mitglieds eines Aufsichtsrats als unternehmerisch, in den Niederlanden hingegen nicht. Der EuGH hat sich dafür entschieden, eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit anzunehmen. So jetzt auch der BFH im Urteil vom 27.11.2019.[4]

 

Rz. 38

Ebenso kann es Fälle geben, in denen nach ausländischem Umsatzsteuerrecht (falls es ein solches überhaupt gibt) die Unternehmereigenschaft zu bejahen ist, nach deutschem Recht aber eine nichtunternehmerische, weil z. B. hoheitliche Betätigung vorliegt. Es muss dann geprüft werden, ob bei einer entsprechenden Betätigung im Inland eine unternehmerische Tätigkeit gem. § 2 Abs. 3 UStG (bis Ende 2016) oder (ab 1.1.2017 gem. § 2b UStG) vorläge; es ist offenkundig, dass dies u. U. außerordentlich schwierige Ermittlungen erfordert.[5] Als Beispiel denke man an eine nicht im Inland ansässige Rundfunkanstalt in der Rechtsform einer j.P.ö.R., die nach dem Umsatzsteuerrecht ihres Sitzstaats, wie u. a. in Österreich, in vollem Umfang, also nicht nur mit den Werbefunkleistungen, als Unternehmer angesehen wird, die aber nach deutscher Auffassung, die insoweit mit Art. 13 MwStSystRL übereinstimmt, eine öffentlich-rechtliche und damit nicht steuerbare Aufgabe wahrnimmt.

 

Rz. 39

Der BFH hat in seinem Urteil v. 13.1.2010[6] entschieden, dass sich die Unternehmereigenschaft zwar nicht vererbt, dass aber Erben gleichwohl bei der Verwertung des Nachlasses partiell die Rolle des unternehmerischen Erblassers noch fortsetzen. Daher gibt es im Zusammenhang mit der Nachlassabwicklung trotz fehlender Unternehmereigenschaft der Erben für diese noch den Zugang zum Vorsteuerabzug.

[2] Abschn. 18.14 Abs. 7 UStAE, zum Vorsteuervergütungsverfahren bei im Drittland ansässigen Antragstellern ab dem 1.1.2010 vgl. Rz. 45ff. zu § 18 Abs. 9 UStG.
[3] EuGH v. 13.6.2019, C-420/18, IO, BFH/NV 2019, 1053, UR 2019, 576.
[4] BFH v. 27.11.2019, V R 23/19 (V R 62/17), BFH/NV 2020, 480, UR 2020, 180 m. Anm. Küffner/Kirchinger; s. auch Heidner, DB 2020, 470.

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