Rz. 9

§ 15 UStG regelt in Abs. 1 die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug, in Abs. 2 das Verbot des Abzugs bei bestimmten Steuerbefreiungen. Abs. 1a schließt den Vorsteuerabzug für bestimmte Aufwendungen aus, die nicht streng betrieblich veranlasst sind. Der seit dem 1.1.2011 geltende Abs. 1b schließt den Vorsteuerabzug anteilig aus bei sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten Grundstücken. Abs. 2 stellt Verbote für den Abzug im Zusammenhang mit bestimmten steuerfreien Umsätzen auf.

Abs. 3 bringt die Ausnahmen von den in Abs. 2 geregelten Abzugsverboten. Der Abs. 4 beschäftigt sich mit der Aufteilung der abziehbaren und nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge. Der im Zusammenhang mit der Binnenmarkt-Übergangsregelung zum 1.1.1993 neu eingefügte Abs. 4a ist insofern ein Fremdkörper in der Vorschrift, als er den nichtunternehmerischen Fahrzeuglieferern i. S. v. § 2a UStG das (nachträgliche) Recht zum Vorsteuerabzug gibt, wenn sie ein Fahrzeug steuerfrei gem. § 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG ins übrige Gemeinschaftsgebiet liefern. Abs. 4b enthält eine Sonderregelung für den Vorsteuerabzug nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, die Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 5 UStG sind. Abs. 5 gibt Ermächtigungen für das BMF, mit Zustimmung des Bundesrats, durch Rechtsverordnungen bestimmte Bereiche zu regeln. Hierauf beruhen die §§ 35ff. UStDV.

 

Rz. 10

Die zentrale Stellung des Vorsteuerabzugs innerhalb des Mehrwertsteuersystems wird auch daran deutlich, dass sich aus § 15 UStG zahlreiche Wechselwirkungen zu anderen Vorschriften des Gesetzes ergeben. Dies gilt insbesondere beim Begriff des Unternehmens und des Unternehmers (§ 1 Abs. 1 S. 1 und § 2 UStG), für die Ausstellung von Rechnungen (§§ 14, 14a UStG), die Entstehung der Steuer (§ 13 Abs. 1 UStG), die Berechnung der Steuer (§ 16 UStG), die Änderung der Bemessungsgrundlage (§ 17 UStG) und die Aufzeichnungspflichten (§ 22 UStG). Einen sachlichen Zusammenhang gibt es auch zu den Vorschriften über die unentgeltlichen Wertabgaben gem. § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG (früher: Eigenverbrauch), die eine korrespondierende Funktion zum Vorsteuerabzug haben. Die Regelungen des § 15a UStG über die Berichtigung des Vorsteuerabzugs bauen selbstverständlich auf § 15 UStG auf.

 

Rz. 10a

Der Vorsteuerabzug ist grundsätzlich unabhängig davon, ob er durch die Steuer auf Umsätze wieder "hereingespielt" wird. Diese "Asymmetrie" ist im Mehrwertsteuersystem angelegt. Es genügt ein unmittelbarer und direkter Zusammenhang zwischen der Vorleistung und den späteren Umsätzen; eine Parität ist nicht erforderlich. Daher hat der EuGH im Urteil vom 22.6.2016[1] einem Unternehmer den Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten eines Gebäudes zugesprochen, das er später zu einem unter diesen Kosten liegenden Preis veräußerte.

 

Rz. 10b

Eine Vorfrage bei diesen Sachverhalten besteht aber darin, ob die erzielten Umsätze tatsächlich auf einer wirtschaftlichen Betätigung beruhen, die unternehmerisch ist. Das hat der EuGH[2] verneint in einem Fall, in dem eine Gemeinde Schülertransporte organisierte und dabei nur einen Kostendeckungsgrad von weniger als 10 % erreichte. Er betrachtete die Gemeinde dabei letztlich als Endverbraucher von eingekauften Transportleistungen für den hoheitlichen Schulbetrieb, bei dem die Kostenüberwälzung auf die Eltern der Schüler nur zu einem geringen Teil zulässig war.

 

Rz. 10c

Unter Berufung auf diese beiden EuGH-Urteile hat der BFH im Urteil vom 28.6.2017[3] einer Gemeinde den teilweisen Vorsteuerabzug aus dem Bau und Betrieb einer Sporthalle gewährt, die von der Gemeinde entsprechend ihren gemeindlichen Sportförderungsaufgaben an Sportvereine zu einem Stundensatz von 1,50 EUR vermietet wurde. Dies kann nicht überzeugen, denn die Gemeinde ist hier mit einer nichtunternehmerischen Veranlassung unter nicht marktgerechten Bedingungen als Vermieter aufgetreten. Dass auch andere Gemeinden mit ihren Hallen – kommunalrechtlich erlaubt – so verfuhren, kann nicht als marktübliches unternehmerisches Verhalten gewertet werden. Im Gegenteil: Die Gemeinden verstopfen mit ihrem kartellartigen Billigangebot an die Vereine den freien Markt auf dem Gebiet der Sporthallenvermietung. Sie üben damit keine typische wirtschaftliche Tätigkeit aus, denn sie können diese dauerdefizitäre Tätigkeit nur aufrechterhalten, weil sie das Defizit mit Steuermitteln ausgleichen können. Mit der Gewährung des Vorsteuerabzugs erhalten sie eine wettbewerbsstörende Subvention ihrer Vermietungsaktivitäten, die sie bei Nutzung der Hallen ausschließlich für den hoheitlichen Bereich nicht bekämen.

 

Rz. 11

Neben den in Rz. 6. beschriebenen Fällen der betrügerischen Ausnutzung des Mehrwertsteuersystems gibt es auch die Steuerausfälle, die auf missbräuchlichen Gestaltungen zur Erlangung des Vorsteuerabzugs beruhen. Die AO stellt dazu bekanntlich ihren § 42 zur Verfügung, der die Anerkennung missbräuchlicher Gestaltungen verbietet. Der EuGH hat in den Urteilen v. 21.2.2006[4] ausdrücklich entsc...

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