Rz. 1

§ 14c UStG in der vorstehend abgedruckten Fassung ist durch das Steueränderungsgesetz 2003 v. 19.11.2003 mWv 1.1.2004 neu in das UStG eingefügt worden im Zusammenhang mit der vollständigen Neuregelung der Vorschriften über die Rechnungserteilung durch die §§ 14, 14a, 14b und 14c UStG.[1] Vor dem 1.1.2004 waren die Rechnungsvorschriften in § 14 und § 14a UStG 1999 geregelt.

 

Rz. 2

Während § 14 UStG als Grundvorschrift zur Rechnungserteilung das im Mehrwertsteuersystem unverzichtbare Abrechnungsdokument regelt und damit primär den am Geschäftsverkehr beteiligten Parteien dient, ist § 14c UStG auf den Schutz des Steueraufkommens ausgerichtet. Da der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 UStG grundsätzlich (nur) möglich ist aus Rechnungen mit offenem und zutreffendem Steuerausweis, bedarf es einer Sanktion für die Fälle, in denen Rechnungen mit unrichtigem Inhalt ausgestellt werden, denn diese verleiten den Empfänger erfahrungsgemäß zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs, obschon dieser in diesen Fällen nicht zulässig ist. Die Vorschrift gilt auch für die Fälle, in denen gutgläubig, d. h. ohne Absicht der Steuerhinterziehung, ein unzutreffender Ausweis von Steuer in einer Rechnung vorgenommen wird.[2].

 

Rz. 2a

Mittlerweile ist unbestritten, dass der europaweit verbreitete und kaum zuverlässig ermittelbare Umsatzsteuerbetrug[3] insbesondere deshalb so leicht möglich ist, weil über die Ausgabe von Rechnungen über nicht ausgeführte Umsätze, u. U. auch grenzüberschreitend im Rahmen sog. Umsatzkarusselle, die formalen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorgetäuscht werden können.[4] Dem durch diesen unberechtigten Vorsteuerabzug drohenden fiskalischen Schaden wird durch die Anordnung der Steuerschuld des Rechnungsausstellers vorgebeugt. § 14c UStG hat mithin – entgegen mitunter landläufiger Einschätzung – keinen Strafcharakter, denn man kann der Sanktion der Steuerschuld aus der in den Verkehr gebrachten Rechnung in jedem Fall durch die Berichtigung der Rechnung entgehen (Rz. 25 ff.). Wohl deshalb hat der EuGH in den Urteilen v. 31.1.2013[5] ausgeführt, dass die Steuerschuld aus der Begebung einer Rechnung nach Art. 203 MwStSystRL keinen Sanktionscharakter habe. Letztlich ist dies aber ein Streit um die Wortwahl, denn entscheidend ist, dass die EU-Mitgliedstaaten nach Auffassung des EuGH verpflichtet sind, eine Möglichkeit zur Rechnungsberichtigung, genauer: zur Berichtigung des falsch ausgewiesenen Steuerbetrags, vorzusehen. Sie muss erlauben, jede Rechnung berichtigen zu können "wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben[6] nachweist oder wenn er die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat".[7]

 

Rz. 2b

Auf dieser Linie liegt auch das Urteil des EuGH vom 8.5.2019.[8] In dieser Entscheidung hat der EuGH außerdem eine Vorschrift des italienischen Rechts für unverhältnismäßig und gegen das Neutralitätsgebot verstoßend angesehen, nach welcher der unrechtmäßige Vorsteuerabzug aus einer zu Unrecht ausgewiesenen Steuer mit einer Geldbuße i. H. d. durchgeführten Vorsteuerabzugs geahndet wird. Damit läuft die Berichtigungsmöglichkeit mit der Gefährdungsbeseitigung im Ergebnis ins Leere. Deutschland kennt eine derartige Sanktion nicht.

 

Rz. 2c

Wie "gefährlich" die Vorschrift für alle an einem Umsatz Beteiligten, über den mit offenem Ausweis von USt abgerechnet wurde, wirken kann, mag der Beschluss des FG München v. 17.11.2011[9] illustrieren: danach spricht für das Vorliegen einer den Vorsteuerabzug ausschließenden Scheinrechnung bereits der Umstand, dass ein Rechnungsaussteller die gegen ihn gem. § 14c UStG festgesetzte Steuer hat bestandskräftig werden lassen, d. h. er hat die Berichtigung der Rechnung (Rz. 26) wohl nicht bewerkstelligen können.

 

Rz. 3

Der Gesetzgeber setzte mit § 14c UStG die Rechtsprechung des EuGH und des BFH zur Berichtigung von falsch ausgewiesenen Steuerbeträgen in das deutsche Recht um, denn die dazu in § 14 Abs. 3 UStG i. d. F. bis einschl. 31.12.2003 bestehenden Regelungen standen mit den vom EuGH interpretierten Vorgaben des Art. 22 der 6. EG-Richtlinie[10] nicht mehr in Einklang.

 

Rz. 4

Auch wenn die Berichtigungsmöglichkeit – selbst bei bösem Glauben bejaht sie der EuGH – der Norm eine Überbelastungswirkung nimmt, darf nicht übersehen werden, dass § 14c UStG eine im geltenden Mehrwertsteuersystem angelegte prinzipielle Schwäche ausgleichen soll: Nur weil das Allphasenprinzip den Ausweis der USt auf allen Stufen verlangt, ergibt sich die systembedingte Ausfallgefahr aus dem unberechtigten Vorsteuerabzug. Dem könnte man durch eine Systemmodifikation abhelfen, wie sie nach den Mainzer Vorschlägen zur USt aus dem Jahr 2001[11] mit der Schaffung einer Steuerbefreiung für zwischenunternehmerische Umsätze vorgesehen war. Der Übergang zur generellen Verlagerung der Steuerschuld auf den unternehmerischen Leistungsempfänger nach Art des § 13b UStG wäre ebenso ein geeigneter Weg zur Entschärfung dieser Problematik.[12] Auch der Vorschlag eines Umsatzsteuergesetzbuchs innerha...

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