Rz. 76

MWv 1.1.2005 wurde die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers durch den neu angefügten § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UStG a. F. (jetzt Abs. 2 Nr. 5a) erweitert. Danach geht bei der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz oder von Elektrizität durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer (Abs. 7) unter den Bedingungen des § 3g UStG die Steuerschuld auf den inländischen Leistungsempfänger über, soweit er ein Unternehmer ist.[1] Damit sollte sichergestellt werden, dass die Ortsverlagerung nach dem Bestimmungslandprinzip über § 3g UStG auch fiskalisch umgesetzt werden kann.[2]

 

Rz. 77

MWv 1.1.2011 wurde die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf die Lieferungen von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer ausgedehnt. Der Grund hierfür war die – ebenfalls ab 1.1.2011 wirksame – Erweiterung des Anwendungsbereichs der Ortsregelung des § 3g UStG.[3]

 

Rz. 78

Durch die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger wird vermieden, dass sich ein im Ausland ansässiger Lieferant für Umsatzsteuerzwecke im Inland erfassen lassen muss, wenn er Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte nur an Wiederverkäufer oder Unternehmer als Endverbraucher liefert. Sonstige Leistungen i. S. d. § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG (z. B. die Verschaffung des Zugangs zu Gas- und Elektrizitätsnetzen oder zu Wärme- oder Kältenetzen) führen bereits über § 13b Abs. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 UStG zur Verlagerung der Steuerschuldnerschaft, wenn sie durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer an einen inländischen Leistungsempfänger erbracht werden.

 

Rz. 79

Durch Gesetz v. 26.6.2013[4] wurde mWv 1.9.2013[5] die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Lieferungen von Gas oder Elektrizität sowie von Wärme oder Kälte auf Lieferungen von Gas oder Elektrizität durch einen im Inland ansässigen Unternehmer erweitert (§ 13b Abs. 2 Nr. 5b UStG). Die Regelung beruht auf Art. 199a Abs. 1 S. 1 Buchst. e MwStSystRL. Voraussetzung für die Verlagerung der Steuerschuld ist, dass der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der selbst Erdgas über das Erdgasnetz liefert (ab 31.12.2014: der Wiederverkäufer von Erdgas i. S. v. § 3g UStG ist, Rz. 163), bzw. – bei Lieferungen von Elektrizität – der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität i. S. v. § 3g UStG sind (§ 13b Abs. 5 S. 3 u. 4 UStG; Rz. 163). Hintergrund der Erweiterung der Reverse-Charge-Regelung war die Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen, insbesondere durch Umsatzsteuerbetrug. Die bisherige Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG wurde unverändert als Abs. 2 Nr. 5a weitergeführt. Bei Zweifeln über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 5b UStG können die Parteien übereinstimmend das Reverse-Charge-Verfahren anwenden, wenn dadurch kein Steuerausfall entsteht (Rz. 171).

 

Rz. 80

Zur Lieferung von Gas oder Elektrizität vgl. § 3g UStG Rz. 7ff. Nach Verwaltungsauffassung[6] werden als Elektrizitätslieferungen auch angesehen:

  • Die Lieferung von Elektrizität aus dezentralen Stromgewinnungsanlagen durch Verteilernetzbetreiber und Übertragungsnetzbetreiber zum Zweck der Vermarktung an der Strombörse EEX.
  • Die Energiebeschaffung zur Deckung von Netzverlusten. Hierbei handelt es sich um physische Beschaffungsgeschäfte durch Netzbetreiber zur Deckung des Bedarfs an Netzverlustenergie.
  • Der horizontale Belastungsausgleich der Übertragungsnetzbetreiber (nur Anteil physischer Ausgleich). Hierbei handelt es sich um den physikalischen Ausgleich der Elektrizitätsmengen zwischen den einzelnen Regelzonen im Übertragungsnetz untereinander.
  • Die Regelenergielieferung (positiver Preis), das ist der Energiefluss zum Ausgleich des Bedarfs an Regelenergie und damit eine physische Elektrizitätslieferung.
  • Ausgleich von Mehr- bzw. Mindermengen.[7]
 

Rz. 81

Keine Lieferungen von Elektrizität sind nach Meinung der Verwaltung (Abschn. 13b.3a Abs. 6 UStAE):

  • Der Bilanzkreis- und Regelzonenausgleich sowie die Bilanzkreisabrechnung. Dabei handelt es sich um die Verteilung der Kosten des Regelenergieeinsatzes beim Übertragungsnetzbetreiber auf alle Bilanzkreisverantwortlichen (z. B. Händler, Lieferanten) im Rahmen der Bilanzkreisabrechnung. Leistungserbringer dieser sonstigen Leistung ist stets der Übertragungsnetzbetreiber, wobei sich im Rahmen der Verteilung auf die einzelnen Bilanzkreise infolge der energetischen Über- und Unterdeckungen der Bilanzkreise positive bzw. negative (finanzielle) Abrechnungsergebnisse ergeben (Abschn. 1.7 Abs. 1 S. 1 UStAE).
  • Die Netznutzung in Form der Bereitstellung und Vorhaltung des Netzes bzw. des Netzzugangs durch den Netzbetreiber (Verteilernetzbetreiber bzw. Übertragungsnetzbetreiber) gegenüber seinen Netzkunden.
  • Die Regelleistung (primär, sekundär, Minutenreserve – Anteil Leistungsvorhaltung). Hier handelt es sich um eine sonstige Leistung, die in der Bereitschaft zur Bereitstellung von Regelleistungskapazität zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität des elektrischen Systems (Stromnetz) besteht.
  • ...

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