Rz. 46

Ein weiterer Fall der Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger ist die Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens. Umsatzsteuerlich gilt im Zeitpunkt der Sicherungsübereignung der sicherungsübereignete Gegenstand noch nicht als geliefert. Erst bei der Verwertung des Gegenstands durch den Sicherungsnehmer (i. d. R. Verkauf an Dritte) liegen umsatzsteuerlich gleichzeitig eine Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer sowie eine Lieferung des Sicherungsnehmers an den Dritten vor (Doppelumsatz; Abschn. 1.2 Abs. 1 UStAE). Hinsichtlich der Lieferung des sicherungsübereigneten Gegenstands durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer schuldet der Sicherungsnehmer als Leistungsempfänger die Steuer, sofern die Lieferung außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt und sofern der Sicherungsnehmer ein Unternehmer oder (ab 1.7.2010) eine juristische Person ist (§ 13b Abs. 5 S. 1 UStG). Der Sicherungsgeber kann sowohl ein im Inland ansässiger als auch ein ausländischer Unternehmer sein.[1] Die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers sind beim Sicherungsnehmer bei nach dem 30.9.2014 ausgeführten Umsätzen nicht anwendbar, wenn der Sicherungsgeber die Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) angewandt hat.[2]

 

Rz. 47

Erfasst werden nur Lieferungen außerhalb (d. h. vor Eröffnung oder nach Einstellung bzw. Aufhebung) des Insolvenzverfahrens. Dazu zählen

  • die Verwertung durch den Sicherungsnehmer (Doppelumsatz),
  • die Verwertung durch den Sicherungsgeber im Namen und für Rechnung des Sicherungsnehmers (Doppelumsatz),
  • die Verwertung durch den Sicherungsgeber im eigenen Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers (Dreifachumsatz).

Im vorläufigen Insolvenzverfahren erfasst § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG die Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters.[3]

 

Rz. 48

Folgende Umsätze fallen nicht unter § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG, da sie nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgen:

Im vorläufigen Insolvenzverfahren

  • die Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände durch einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter,
  • die Verwertung durch einen zur Veräußerung sicherungsübereigneter Gegenstände vom Insolvenzgericht ermächtigten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter.

Im eröffneten Insolvenzverfahren

  • der Insolvenzverwalter ist im Besitz des sicherungsübereigneten Gegenstands und veräußert diesen,
  • der Insolvenzverwalter ist im Besitz des sicherungsübereigneten Gegenstands und überlässt diesen dem Sicherungsnehmer zur Verwertung,
  • der Insolvenzverwalter ist nicht im Besitz des sicherungsübereigneten Gegenstands und der Sicherungsnehmer veräußert diesen.
 

Rz. 49

Wird das Sicherungsgut im Fall einer Insolvenz verwertet, hat der Sicherungsnehmer die USt aus der Verwertungshandlung nach § 170 Abs. 2 InsO an den Insolvenzverwalter auszukehren; in diesem Fall ist der Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 UStG, weil es sich um eine Lieferung innerhalb des Insolvenzverfahrens handelt. Gehört der zur Sicherheit übereignete Gegenstand nicht mehr zur Insolvenzmasse, z. B. weil er aus dem insolvenzbefangenen in das insolvenzfreie Vermögen gelangt ist, so greift § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG ein.

 

Rz. 50

Hat der Sicherungsnehmer einen sicherungsübereigneten Gegenstand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Besitz genommen, aber erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwertet, liegt keine Lieferung außerhalb des Insolvenzverfahrens i. S. d. § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG vor.[4] Aus dem Umstand, dass § 173 Abs. 1 InsO für diesen Fall keine dem § 170 Abs. 2 InsO entsprechende Verpflichtung des Sicherungsnehmens (Gläubigers) zur Abführung der USt an die Masse vorsieht, kann nicht geschlossen werden, dass die Lieferung doch außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt.[5] Der Gläubiger hat jedoch in analoger Anwendung der §§ 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG und 170 Abs. 2, 171 Abs. 2 S. 3 InsO einen Betrag in Höhe der wegen der Lieferung des Sicherungsguts an ihn angefallenen USt aus dem Verwertungserlös an die Masse abzuführen.[6]

 

Rz. 50a

Durch die Fiktion des § 55 Abs. 4 InsO, wonach USt-Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten, wird die Verwertung von Sicherungsgut nicht zu einem Umsatz "innerhalb" des Insolvenzverfahrens.[7]

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