Rz. 1

Nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht war bei Werklieferungen und sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers, bei Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens sowie bei Lieferungen von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner an den Ersteigerer der Leistungsempfänger verpflichtet, die aus dem Umsatz des Leistenden geschuldete USt einzubehalten und an das für ihn zuständige FA abzuführen (sog. Abzugsverfahren nach § 18 Abs. 8 UStG a. F. i. V. m. §§ 51 bis 58 UStDV a. F.). Nach dem Abzugsverfahren wurde der Leistungsempfänger als Haftungsschuldner neben dem leistenden Unternehmer als Steuerschuldner in Anspruch genommen. War der Leistungsempfänger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt, konnte er von der sog. Nullregelung Gebrauch machen.

 

Rz. 2

Das (frühere) Abzugsverfahren entsprach nicht den EU-Vorgaben. Art. 21 der 6. EG-Richtlinie i. d. F. der Änderungsrichtlinie v. 17.10.2000[1] bestimmt im Grundsatz den leistenden Unternehmer zum Steuerschuldner. Abweichend davon können die Mitgliedstaaten den Leistungsempfänger einer im Inland empfangenen stpfl. Lieferung von Gegenständen bzw. einer stpfl. Dienstleistung zum Steuerschuldner bestimmen, wenn der Leistende ein nicht im Inland ansässiger Stpfl. ist.[2]

 

Rz. 3

Außerdem war die sog. Null-Regelung im früheren Abzugsverfahren nach Auffassung der EU-Kommission nicht von den Vorschriften der 6. EG-Richtlinie gedeckt. Sie habe bei den Leistungsempfängern zu ungerechtfertigten Liquiditätsvorteilen geführt, was insbesondere bei Messeveranstaltungen Vorteile zugunsten deutscher Messestandorte bewirkt habe. Die EU-Kommission hatte diesbezüglich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, welches durch die Neuregelung der Steuerschuldnerschaft jedoch gegenstandslos geworden war.

 

Rz. 4

Das (frühere) Abzugsverfahren konnte aus EU-rechtlichen Gründen spätestens ab 1.1.2002 nicht mehr beibehalten werden. Deshalb hat der Gesetzgeber das auch verfassungsrechtlich nicht unproblematische Abzugsverfahren[3] durch das Steueränderungsgesetz 2001 v. 20.12.2001[4] mWv 1.1.2002 aufgegeben und durch ein Verfahren mit einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ersetzt.[5] § 13b UStG führt die Vorteile des Abzugsverfahrens weiter, dass sich die im Ausland ansässigen Unternehmer insoweit nicht im Inland für Umsatzsteuerzwecke erfassen lassen müssen und gleichzeitig das Umsatzsteueraufkommen gesichert bleibt. Außerdem bietet die Einführung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers der Verwaltung einen erheblichen Vorteil. Gegenüber dem früheren Abzugsverfahren ist es weniger aufwendig, da die Verwaltung nur noch einen Steuerschuldner in Anspruch nimmt. Weiterhin bewirkt der Wechsel zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, dass die im Bereich des früheren Abzugsverfahrens aufgetretenen Probleme durch das Nichtverständnis der Regelungen in den §§ 51ff. UStDV (a. F.) aufseiten des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers entfallen. Mit § 13b UStG sollen Umsatzsteuerausfälle verhindert werden, die dadurch eintreten können, dass bestimmte Leistungen von Unternehmern nicht oder nicht vollständig im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfasst werden bzw. der Fiskus den Steueranspruch beim Leistenden nicht realisieren kann.

 

Rz. 5

Unter EU-rechtlichen Aspekten erschien die Ausdehnung der Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf die Fälle der Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens (§ 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG) und der Lieferungen von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner an den Ersteher (§ 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG a. F.) zunächst bedenklich. Da es sich in diesen Fällen regelmäßig um Umsätze im Inland ansässiger Unternehmer handelt, kam eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft gem. Art. 21 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 194 MwStSystRL) nicht in Betracht. Zur Herstellung der Richtlinienkonformität der Regelungen waren daher ein Antrag gem. Art. 27 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL) und eine entsprechende Ratsermächtigung erforderlich.[6] Diese Ermächtigung wurde der Bundesrepublik am 4.6.2002 erteilt.[7] Inzwischen sind die Regelungen durch Art. 199 Abs. 1 MwStSystRL gedeckt.

 

Rz. 6

Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft durch § 13b UStG entspricht EU-rechtlichen Vorgaben. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG entspricht der Ermächtigung in Art. 194 MwStSystRL. § 13b Abs. 2 Nr. 2 bis 4 sowie Nr. 7 und 8 UStG lassen sich auf die Ermächtigung in Art. 199 Abs. 1 MwStSystRL stützen. Durch § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG i. d. mWv 6.11.2015 geltenden Fassung wird zugleich der ab 1.1.2017 zwingend anzuwendenden Vorgabe in Art. 13b MwStSystRL-DVO Rechnung getragen. Durch § 13b Abs. 2 Nr. 5a und b UStG wurden Art. 195 bzw. 199a Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL umgesetzt. § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG stützt...

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