Rz. 33

Dass weder § 13 UStG noch § 3 UStG etwas darüber sagen, zu welchem Zeitpunkt eine sonstige Leistung ausgeführt ist, liegt wohl daran, dass eine exakte positive Definition des Begriffs der sonstigen Leistung nicht möglich ist (§ 3 Abs. 9 UStG). Deshalb ist auch keine allgemeingültige Bestimmung des Leistungszeitpunkts, der für die Entstehung der Steuer maßgebend ist, möglich. Die häufig anzutreffenden Formulierungen, wonach eine sonstige Leistung grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung[1] oder in dem Zeitpunkt ausgeführt ist, in dem der Unternehmer alle zum Erbringen der Leistung erforderlichen Handlungen erbracht hat[2], passen nur bei positiven sonstigen Leistungen. Sieht man den wirtschaftlichen Schwerpunkt einer sonstigen Leistung in der Zuwendung eines wirtschaftlich relevanten Werts (ausg. die wirtschaftliche Substanz eines Gegenstands) an einen anderen (§ 3 Abs. 1 UStG ), so ist eine sonstige Leistung in dem Moment ausgeführt, in dem der Leistungsempfänger den wirtschaftlich relevanten Wert zugewendet erhält. Zur Bestimmung dieses Zeitpunkts wird man auf die die Leistung begleitenden Umstände abstellen müssen.[3]

 

Rz. 34

Weiß[4] hat zutreffend darauf hingewiesen, dass zur Bestimmung des Leistungszeitpunkts zunächst – in Anlehnung an die im Zivilrecht vorgegebenen Vertragstypen – eine Unterteilung der sonstigen Leistungen nach ihrem Leistungsinhalt zu erfolgen hat. Dabei ergeben sich folgende Typen von sonstigen Leistungen:

  1. Arbeits-, Dienst- und Werkleistungen,
  2. Leistungen, die die Überlassung der Substanz zum Gegenstand haben,
  3. Leistungen, die auf die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung gerichtet sind (Duldungsleistungen),
  4. übrige sonstige Leistungen.
 

Rz. 35

Nach einer entsprechenden Einordnung der jeweiligen Leistung unter eine der Gruppen lassen sich aus der Art der Leistung, aus den zugrunde liegenden Abreden der Beteiligten (z. B. Art der Vergütung, Kündigungsfristen) sowie aus den maßgebenden zivilrechtlichen Vorschriften, soweit diese nicht abbedungen sind, maßgebende Anhaltspunkte zur Ermittlung des Leistungszeitpunkts herleiten. Von Bedeutung für die Bestimmung des Leistungszeitpunkts kann auch die Einteilung in positive bzw. negative sonstige Leistungen sein.

 

Rz. 36

Arbeits-, Dienst- und Werkleistungen sind Leistungen durch positives Tun. Sie sind grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Dies gilt auch für Werkleistungen; sie sind mit Fertigstellung des Werks ausgeführt. Der Zeitpunkt der Vollendung des Werks wird hier häufig mit dem Zeitpunkt der Abnahme zusammenfallen. Die Abnahme ist jedoch – anders als bei der Werklieferung – nicht Voraussetzung der Erfüllung. Zu den Besonderheiten in der Bauwirtschaft vgl. im Einzelnen Rz. 40ff.

 

Rz. 37

Die substanzüberlassenden sonstigen Leistungen gehören zu den Leistungen positiver Art. Sie sind mit der (uneingeschränkten und vorbehaltlosen) Übertragung des Vollrechts bewirkt. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem der Leistungsempfänger die faktische Herrschaftsbefugnis über das Recht erlangt, es also ausüben kann (analog zur Verschaffung der Verfügungsmacht bei der Lieferung von Gegenständen). Auf den Zeitpunkt der späteren tatsächlichen Ausübung des Rechts durch den Leistungsempfänger ist nicht abzustellen.[5] Beispiele substanzüberlassender Leistungen: Übertragung von Urheber- und Verlagsrechten[6]; Übertragung von Lieferungs- und Kompensationsrechten[7]; Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Grundstück[8]; Übertragung von Aktien.[9] Eine Duldungsleistung (Rz. 38) scheidet mangels einer beim Übertragenden verbleibenden Rechtsposition aus.

 

Rz. 38

Sonstige Leistungen, die auf die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung gerichtet sind, haben Duldungen (= negatives Tun) zum Gegenstand (Beispiele: Überlassung von Patent-, Urheber- oder sonstigen geschützten Rechten). Bei zeitlich begrenzten Duldungsleistungen ist die Leistung mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt, es sei denn, die Beteiligten hätten Teilleistungen vereinbart oder es kommt die Istversteuerung von Anzahlungen zum Tragen. Werden derartige Leistungen zeitlich unbegrenzt oder über einen sehr langen Zeitraum erbracht, kommt es auf die Abreden der Beteiligten (Entgeltvereinbarung, Kündigungsmöglichkeit) an. Danach kann eine Aufteilung in Teilleistungen entsprechend den Zeiträumen, für die jeweils vereinbarungsgemäß ein Entgelt zu zahlen ist, in Betracht kommen.[10] Bei Einmalzahlung wird man – entsprechend der Vollrechtsübertragung – die Leistung als in dem Zeitpunkt ausgeführt ansehen müssen, von dem ab der Leistungsempfänger die ihm eingeräumten Rechte ausüben kann.[11]

 

Rz. 39

Die übrigen sonstigen Leistungen haben Unterlassungen oder Verzichtsleistungen (= negatives Tun) zum Gegenstand.[12] Zum Leistungszeitpunkt gelten die Ausführungen in Rz. 38 entsprechend.

[2] So Leipold, in Sölch/Ringleb, UStG, § 13 UStG Rz. 27.
[3] Ähnlich auch Nieskens, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 UStG Rz. 200.
[4] ...

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