Rz. 106f

Zunächst hat die EU-Kommission ihre Ankündigungen aus ihrem Aktionsplan v. 7.4.2016 (Rz. 106d) eingehalten und am 4.10.2017 Vorschläge zur Änderung der MwStSystRL sowie zweier Durchführungsverordnungen vorgelegt, mit denen sie den Übergang zum generellen Bestimmungslandprinzip bei innergemeinschaftlichen Lieferungen einleiten wollte. Hierbei sollte es sich um die größte Reform der MwSt-Vorschriften seit einem Vierteljahrhundert handeln und gleichzeitig um das endgültige MwSt-System.[1]

In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission am 18.1.2018 neue Rechtsvorschriften vorgeschlagen, um den EU-Mitgliedstaaten mehr Flexibilität bei der Festlegung der MwSt-Sätze einzuräumen und das steuerliche Umfeld für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu verbessern.[2] Diese Vorschläge sollten den Abschluss der Reformvorschläge der EU-Kommission zu der weitgehenden Reform des MwSt-Systems hin zum generellen Bestimmungslandprinzip (endgültiges MwSt-System) bilden.

 

Rz. 106g

Nach dem bis 5.4.2022 maßgeblichen Unionsrecht durften die EU-Mitgliedstaaten ermäßigte MwSt-Sätze nur auf die in Anhang III der MwStSystRL ausdrücklich aufgeführten Gegenstände und Dienstleistungen anwenden (Rz. 98). Dies sollte sich nach dem Willen der EU-Kommission ändern. Die EU-Kommission war der Auffassung, dass in einem endgültigen MwSt-System für alle EU-Mitgliedstaaten dieselben Vorschriften gelten und alle Mitgliedstaaten denselben Ermessensspielraum bei der Festlegung der MwSt-Sätze haben sollten. Die neuen Vorschriften seien weniger restriktiv und würden eine breitere Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes ermöglichen, der im derzeitigen vorläufigen MwSt-System durch die Bestimmungen des Anhangs III MwStSystRL und die vorläufigen Ausnahmen ausgehebelt werde. Durch den Vorschlag der EU-Kommission v. 18.1.2018 sollten die EU-Mitgliedstaaten einen wesentlich größeren Spielraum bei der Festlegung ihrer nationalen MwSt-Sätze erhalten. Neben einem Mindestnormalsatz von weiterhin 15 % (Rz. 97) könnten die EU-Mitgliedstaaten

  1. zwei ermäßigte Steuersätze zwischen 5 % und dem vom EU-Mitgliedstaat gewählten Normalsatz (in Deutschland seit dem 1.1.2007 19 %) festlegen;
  2. eine MwSt-Befreiung mit Vorsteuerabzug (sog. Nullsteuersatz) anwenden;
  3. einen weiteren ermäßigten Steuersatz zwischen 0 % und den ermäßigten Sätzen einführen.

Die seinerzeit geltende Liste von Gegenständen und Dienstleistungen, für die ermäßigte Sätze möglich sind (Anhang III der MwStSystRL), würde durch eine neue Liste von Gegenständen und Dienstleistungen ersetzt, auf die stets zwingend der Mindestnormalsatz von 15 % oder ein höherer Steuersatz angewendet werden müsste (neuer Anhang IIIa der MwStSystRL). Diese Liste enthielt die verbrauchsteuerpflichtigen Gegenstände sowie Gegenstände und Dienstleistungen, bei denen die Anwendung von ermäßigten Steuersätzen oder einem sog. Nullsteuersatz zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Sie umfasste folgende Gegenstände und Dienstleistungen:

  • Dienstleistungen von Reisebüros (Reiseleistungen i. S. d. Art. 306 bis 310 MwStSystRL),
  • Dienstleistungen von Kommissionären i. S. d. Art. 28 MwStSystRL
  • Lieferungen, die unter die Differenzbesteuerung i. S. d. Art. 312 bis 325 MwStSystRL fallen,
  • Lieferungen im Rahmen von öffentlichen Versteigerungen i. S. d. Art. 333 bis 341 MwStSystRL
  • Lieferung von Edelmetall, Juwelen und Schmuck,
  • Lieferung alkoholischer Getränke,
  • Lieferung von Tabakerzeugnissen,
  • Lieferung, Vermietung, Instandhaltung und Reparatur von Fahrzeugen (Ausnahmen: Lieferung, Vermietung, Instandhaltung und Reparatur von Fahrrädern, Kinderwagen und Behindertenfahrzeugen sowie die Lieferung von Kraftwagen und anderen Kraftfahrzeugen, die hauptsächlich für die Beförderung von weniger als 10 Personen bestimmt sind, einschließlich Kombinationskraftwagen und Rennwagen, ausgenommen Kraftwagen, die nur einen Verbrennungsmotor oder einen Kolbenverbrennungsmotor mit Selbstzündung (Diesel- oder Halbdieselmotor) haben,
  • Lieferung von Kraftstoff, Öl und Gas; Lieferung von Schmierölen,
  • Lieferung von Waffen und Munition,
  • Lieferung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen; Lieferung von Uhren,
  • Lieferung von Elektrogeräten,
  • Lieferung von Möbeln,
  • Lieferung von Musikinstrumenten,
  • Lieferung von Kunstgegenständen,
  • Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen,
  • Erbringung von Spiel- und Wettdienstleistungen.

Nach dem Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommission v. 18.1.2018 durften die EU-Mitgliedstaaten ermäßigte Steuersätze und Nullsätze nur in den Bereichen vorsehen, in denen für den Endverbrauch bestimmte Waren und Dienstleistungen erbracht werden. Daher sollten ermäßigte Steuersätze und Nullsätze nicht auf Gegenstände und Dienstleistungen angewendet werden dürfen, die nur als Zwischenprodukt genutzt werden. Um die Staatseinnahmen zu sichern, sollen die EU-Mitgliedstaaten außerdem sicherstellen, dass der gewogene mittlere MwSt-Satz mindestens 12 % beträgt. Der gewogene mittlere MwSt-Satz eines EU-Mitgliedstaats sollte alle in diesem...

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