Rz. 67a

Die Umsatzbesteuerung bei der Ausgabe und dem Einlösen von Gutscheinen ist mWv 1.1.2019 neu geregelt worden.[1] Es handelt sich um Gutscheine, für die der Gutscheinerwerber bei der Ausgabe des Gutscheins den auf dem Gutschein beschriebenen Wert bezahlt. Die neuen Regelungen finden sich in § 3 Abs. 13 bis 15 UStG. Danach ist bei der Ausgabe derartiger Gutscheine durch Unternehmer zu unterscheiden, ob es sich um Einzweckgutscheine (§ 3 Abs. 14 UStG) oder um Mehrzweckgutscheine (§ 3 Abs. 15 UStG) handelt.

 

Rz. 67b

Ein Einzweckgutschein liegt vor, wenn die mithilfe des Gutscheins zu erhaltende Leistung konkret bestimmt ist, wenn der Leistungsort festliegt und wie hoch die USt für die Leistung sein wird. Insbesondere muss die USt für den Umsatz, auf den sich der Gutschein bezieht, zum Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins feststehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der spätere Umsatz nur einem Steuersatz unterliegt und dieser Steuersatz unumstößlich feststeht. Nach Bekanntwerden der Steuersatzsenkung für Umsätze im zweiten Halbjahr 2020 am 3.6.2020 ist diskutiert worden, ob fortan überhaupt noch Einzweckgutscheine vorliegen können, weil ja bei der Ausgabe des Gutscheins nicht feststeht, welcher USt-Satz bei dessen Einlösung gilt. Maßgebend können jedoch nur die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Gutscheinausgabe sein, weil es ansonsten keine Einzweckgutscheine mehr geben kann.[2] Gibt der Unternehmer einen Einzweckgutschein (gegen Bezahlung des Gegenwerts) aus, hat er damit einen zu dem betreffenden Steuersatz steuerpflichtigen Umsatz ausgeführt. Die spätere tatsächliche Leistung ist davon unabhängig und wird nicht nochmals besteuert (§ 3 Abs. 14 S. 5 UStG). Sollte bei Einlösung eines Einzweckgutscheins jedoch eine Zuzahlung durch den Gutscheininhaber erfolgen, so ist die bislang noch nicht besteuerte Differenz nach den zum Zeitpunkt der Gutscheineinlösung geltenden USt-Sätzen zu versteuern.

 
Praxis-Beispiel

Ein Modegeschäft gibt am 17.2.2020 einen Gutschein über 100 EUR aus und erhält vom Gutscheinerwerber diesen Betrag in bar. In dem Modegeschäft werden nur Waren verkauft, die sämtlich dem allgemeinen Steuersatz unterliegen. Im September 2020 kommt der Inhaber des Gutscheins in das Modegeschäft und erwirbt Bekleidung im Wert von 120 EUR.

Weil bei der Gutscheinausgabe feststand, dass mit dem Gutschein nur Waren zum allgemeinen Steuersatz erworben werden können, handelt es sich um einen Einzweckgutschein. Das Modegeschäft führt bereits mit der Gutscheinausgabe gegen Entgelt einen Umsatz aus, den es in der USt-Voranmeldung für den Monat Februar 2020 zum allgemeinen Steuersatz von 19 % (84,03 EUR netto zuzüglich 19 % USt 15,97 EUR) anmeldet. Hierbei bleibt es. In der USt-Voranmeldung für den Monat September 2020 versteuert das Modegeschäft lediglich die Zuzahlung von brutto 20 EUR zum abgesenkten allgemeinen Steuersatz von 16 % (17,24 EUR netto zuzüglich 2,76 EUR USt).

 

Rz. 67c

Durch den Erwerb von Einzweckgutscheinen im zweiten Halbjahr 2020 können die Beteiligten der Anhebung der Steuersätze zum 1.1.2021 von 16 % auf 19 % entgehen. Diese Gestaltungsmöglichkeit gilt insbesondere für Gutscheine über hochpreisige Waren, deren Lieferzeit über den 31.12.2020 hinausgeht. In der Literatur wird sogar geraten, sich vor Ablauf des Jahres 2020 mit Einzweckgutscheinen einzudecken.[3]

 
Praxis-Beispiel

Eine Privatperson bestellt im November 2020 eine fabrikneue Segeljacht für netto 80.000 EUR zuzüglich 16 % USt 12.800 EUR = 92.800 EUR, die erst nach dem 31.12.2020 ausgeliefert werden kann. Damit unterläge die Lieferung der Segeljacht bei der Übergabe an den Kunden dem allgemeinen Steuersatz von 19 %. Der Bootsverkäufer stellt jedoch bei der Bestellung der Segeljacht einen Gutschein über 92.800 EUR aus, den der Kunde bezahlt.

Weil bei der Gutscheinausgabe feststand, dass mit dem Gutschein nur eine Segeljacht zum allgemeinen Steuersatz erworben werden kann, handelt es sich um einen Einzweckgutschein. Der Bootsverkäufer führt bereits mit der Gutscheinausgabe gegen Entgelt einen Umsatz aus, den er in der USt-Voranmeldung für den Monat November 2020 zum allgemeinen Steuersatz von 16 % (80.000 EUR netto zuzüglich 16 % USt 12.800 EUR) anmeldet. Hierbei bleibt es, weil die spätere Auslieferung der Segeljacht im Jahr 2021 für den Bootsverkäufer keinen Umsatz darstellt.

Zwar sollte durch die befristete Steuersatzsenkung die Konjunktur angekurbelt werden, wozu ja die Ausstellung von Einzweckgutscheinen kurz vor Jahresende 2020 beitragen würde. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Finanzämter hierin einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts sehen (§ 42 AO).

 

Rz. 67d

Gutscheine, die die Voraussetzungen für Einzweckgutscheine nicht erfüllen, sind Mehrzweckgutscheine (§ 3 Abs. 15 UStG). Bei der Ausgabe eines Mehrzweckgutscheins findet ein Umsatz nicht statt. Die jeweilige Leistung des Unternehmers (Gutscheinausstellers) wird erst bei der Einlösung des Gutscheins erbracht und ist erst dann der USt zu den dann geltenden Steuers...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge