Rz. 765

Von Nr. 53 der Anlage 2 des UStG werden nicht alle Kunstgegenstände umfasst, sondern nur solche, die unter die Positionen 9701, 9702 00 00 und 9703 00 00 des Zolltarifs fallen (Rz. 769 und 777ff.). Gegen diese Beschränkung sind aus Kunstkreisen seit Einführung der MwSt. in Deutschland zum 1.1.1968 wiederholt Einwendungen erhoben worden.[1] Der Gesetzgeber hat im Jahr 1967 den ermäßigten Umsatzsteuersatz jedoch bewusst auf die in Kap. 99 des damaligen Zolltarifs bezeichneten Kunstgegenstände beschränkt und nicht auf alle Kunstgegenstände und Erzeugnisse des Kunsthandwerks ausgedehnt. Maßgebend hierfür war in erster Linie, dass durch die Bezugnahme auf den Zolltarif der Kreis der begünstigten Gegenstände eindeutig abgegrenzt werden konnte (Rz. 71). Bei einer vom Zolltarif unabhängigen Begünstigung von Kunstgegenständen wäre ein umfangreicher Ausnahmekatalog erforderlich gewesen, der erhebliche praktische Schwierigkeiten zur Folge gehabt hätte. Eine nicht näher beschriebene Begünstigung aller Kunstgegenstände hätte den Finanzbeamten und Finanzgerichten die Verpflichtung aufgebürdet, zu beurteilen, was Kunst ist. Das BVerfG hat entschieden, dass weder aus Art. 3 GG noch aus Art. 5 GG eine Verpflichtung für den Gesetzgeber folge, allen künstlerischen Äußerungen und allen der Vermittlung künstlerischer Inhalte dienenden Medien eine gleichmäßige steuerliche Vergünstigung zuteil werden zu lassen. Der Gesetzgeber habe durch die Anknüpfung an die Nomenklatur des Zolltarifs in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Verwaltung und die Gerichte der Notwendigkeit enthoben, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Gegenstand tatsächlich als Kunst einzustufen sei.[2]

 

Rz. 766

Die Gründe für die Beschränkung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf bestimmte eindeutig abgrenzbare Kunstgegenstände bestehen nach Auffassung aller bisherigen Bundesregierungen fort. Die damalige Bundesregierung beabsichtigte deshalb nicht, die Umsatzsteuerermäßigung im Bereich der Kunst auszudehnen.[3] S. hierzu auch die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion vom April 2006 in Rz. 778 und Rz. 781! Eine Einschränkung der Freiheit der Kunst sieht die Bundesregierung – in Übereinstimmung mit dem BVerfG – hierin nicht.[4] Allerdings sind durch Änderungen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG[5] mWv 1.1.2014 die Steuerermäßigungen für Kunstgegenstände nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG entfallen (Rz. 761).

 

Rz. 767

Die Bundesregierung sah bis zur Neuregelung der Umsatzbesteuerung von Kunstgegenständen durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013 mWv 1.1.2014 (Rz. 761) auch im Hinblick auf die umsatzsteuerliche Behandlung von Kulturgütern allgemein auf EU-Ebene keinen Handlungsbedarf. Dies unterstrich die damalige Bundesregierung in ihrer Antwort vom April 2004[6] auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion.[7] Seit dem Jahr 1995 gelte in der EU für Lieferungen von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken, die ein Wiederverkäufer von Privatpersonen erworben hat, die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG (Besteuerung des Unterschieds zwischen Verkaufspreis und Einkaufspreis). Der Deutsche Bundestag habe im Jahr 1999 auf Empfehlung des Finanzausschusses die Steuerermäßigungen für Kunstgegenstände und Sammlungsstücke beibehalten (Rz. 761).

Die Bundesregierung hielt darüber hinaus ermäßigte Umsatzsteuersätze als politisches Steuerungselement für wenig geeignet, da die Weitergabe der Steuerermäßigung an den Verbraucher über Preissenkungen nicht gesichert werden könne. Die Steuermindereinnahmen aufgrund des ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferungen, die Einfuhr, den Erwerb und die Vermietung von Kunstgegenständen bezifferte die Bundesregierung für das Jahr 2003 auf rund 100 Mio. EUR. Bei einer Streichung dieser Steuerermäßigung wäre nach Auffassung der Bundesregierung mit einer nennenswerten Änderung des Kaufverhaltens nicht zu rechnen. Auch wären keine nennenswerten Auswirkungen auf den Markt für Bildende Kunst zu erwarten.

 

Rz. 768

Der Zolltarif ist in seinem Aufbau weder daraufhin ausgerichtet, dass das Kap. 97 (bis 31.12.1987: Kap. 99) generell als Auffangposition für Kunstwerke in Betracht kommt noch dass die zu diesem Kapitel gehörenden Waren stets dem Bereich der Kunst zuzurechnen sind. Daher sieht der Zolltarif eine Subsumtion unter den Begriff "Kunst" nicht vor und schließt auch eine Wertung im künstlerischen Sinne aus. Die Verwendung des Begriffs "Kunstgegenstände" in der Überschrift zu Abschnitt XXI und zu Kap. 97 des Zolltarifs ist nur als Hinweis, nicht aber als maßgebend für die Einreihung zu werten. Die künstlerische Qualität von Erzeugnissen ist somit für die zolltarifliche Beurteilung ohne Belang. Die ertragsteuerliche Anerkennung einer künstlerischen Tätigkeit (zur Abgrenzung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit von Einkünften aus Gewerbebetrieb) i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ist für die Frage der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes ebenfalls ohne Bedeutung.[8] Auch d...

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