Rz. 1

Durch das JStG 2022[1] wurde erstmals in Deutschland mWv 1.1.2023 ein sog. Nullsteuersatz eingeführt (neuer Absatz 3 in § 12 UStG). Da die Anwendung des neuen ermäßigten Steuersatzes von 0 % auf die begünstigten Umsätze den Vorsteuerabzug aus den damit zusammenhängenden Eingangsumsätzen nicht ausschließt, entfaltet der Nullsteuersatz die gleiche Wirkung wie eine Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug i. S. d. § 4 Nr. 1 bis 7 UStG. Der Nullsteuersatz ist nach § 12 Abs. 3 UStG unbefristet anzuwenden auf

  1. die Lieferung von Solarmodulen an den Betreiber einer Fotovoltaikanlage einschließlich der für den Betrieb einer Fotovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Stromspeicher (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG),
  2. den innergemeinschaftlichen Erwerb derartiger Fotovoltaikanlagen (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 UStG),
  3. die Einfuhr derartiger Fotovoltaikanlagen (§ 12 Abs. 3 Nr. 3 UStG) und
  4. die Installation von Fotovoltaikanlagen und der Stromspeicher (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 UStG).

Eine weitere Besonderheit des neuen Nullsteuersatzes besteht darin, dass er nur auf Umsätze an die Betreiber von Fotovoltaikanlagen anzuwenden ist, nicht jedoch auf die entsprechenden Umsätze auf der Vorstufe (z. B. die Lieferung von Solarmodulen vom Hersteller an Großhändler, von Großhändlern an Lieferanten, Verleiher oder Leasinggeber). Diese Einschränkung bei der Anwendung des Nullsteuersatzes ist jedoch für die Unternehmer auf der Vorstufe finanziell nicht nachteilig, weil sie in aller Regel die ihnen in Rechnung gestellte USt in voller Höhe als Vorsteuer abziehen können. Die begünstigen Umsätze an die Betreiber auf der Endverbrauchsstufe unterliegen dagegen von vornherein keiner Umsatzsteuerbelastung.

 

Rz. 2

Mit der neuen Regelung sollen die Betreiber von Fotovoltaikanlagen in erster Linie von Bürokratie entlastet werden. Aufgrund des Nullsteuersatzes in Rechnungen über den Erwerb von Fotovoltaikanlagen und deren Komponenten empfangen die Betreiber von Fotovoltaikanlagen diese Leistungen ab dem 1.1.2023 ohne Umsatzsteuerbelastung. Privatpersonen, die den von ihrer Fotovoltaikanlage erzeugten Strom in das Stromnetz einspeisen und hierfür eine Einspeisevergütung erhalten, werden aufgrund dieser Stromlieferungen zum Unternehmer i. S. d. § 2 UStG. Weil die Einspeisevergütungen regelmäßig weniger als 22.000 EUR jährlich betragen, sind diese Unternehmer grundsätzlich als Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG anzusehen. Für bis zum 31.12.2022 gelieferte Fotovoltaikanlagen (sog. Altanlagen), die der USt zum allgemeinen Steuersatz von 19 % unterliegen, mussten solche Privatpersonen auf die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 2 UStG verzichten, um die in Rechnung gestellte USt als Vorsteuer abziehen zu können. Allerdings bindet ein Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung den Betreiber für fünf Jahre (§ 19 Abs. 2 S. 2 UStG). Deshalb mussten solche Fotovoltaikanlagenbetreiber mindestens fünf Jahre lang USt-Erklärungen abgeben, ehe sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen konnten. Weil die Lieferung von Fotovoltaikanlagen usw. ab 1.1.2023 nicht mehr mit USt belastet ist, brauchen Fotovoltaikanlagenbetreiber ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Da wegen des Nullsteuersatzes keine USt in Rechnung gestellt wird, entfällt der Vorsteuerabzug als Grund für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung.

Mit der Einführung des Nullsteuersatzes wird neben der Entlastung von Bürokratie gezielt die Erzeugung von Solarstrom für den privaten Verbrauch subventioniert. Der Gesetzgeber erhofft sich durch die um die USt geminderten Anschaffungskosten eine erhöhte Nachfrage. Da sich Unternehmer über den Vorsteuerabzug auch bisher schon entlasten konnten, zielt die Neuregelung auf die Privatpersonen als Kleinunternehmer ab, die ansonsten kein Vorsteuerabzugsrecht als Entlastungsmöglichkeit besäßen.[2]

Der Gesetzgeber kann allerdings nicht erzwingen, dass die Verkäufer von Fotovoltaikanlagen oder deren Komponenten bzw. die mit der Lieferung und Installation beauftragten Handwerker den Nullsteuersatz 1 : 1 an ihre Kunden (Betreiber der Fotovoltaikanlagen) weitergeben. Die Preisgestaltung ist allein Sache des Unternehmers und kann von staatlichen Stellen nicht vorgeschrieben werden. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass Lieferer/Handwerker die Einführung des Nullsteuersatzes zum 1.1.2023 und die höhere Nachfrage nach Fotovoltaikanlagen zum Anlass für Anhebungen der Nettopreise genommen haben bzw. künftig nehmen werden.

 

Rz. 3

Die umsatzsteuerliche Regelung wird durch eine – ebenfalls durch das JStG 2022 eingeführte – ertragsteuerliche Steuerbefreiung (neuer § 3 Nr. 72 EStG) flankiert. Der Bundesrat hatte eine gesetzliche Steuerbefreiung für kleine Fotovoltaikanlagen schon zwei Jahre zuvor gefordert.[3] Bei Fotovoltaikanlagen, deren Strom in das Stromnetz eingespeist wird, erzielen die Betreiber Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG. Sie waren dadurch bislang zur – elektronischen – Abgabe von Einkommenst...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge