Rz. 2

Während die EU-Mitgliedstaaten auf die Lieferung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften in Papierform schon seit vielen Jahren einen ermäßigten MwSt-Satz anwenden konnten[1], war nach dem Unionsrecht bislang auf elektronische Presseerzeugnisse ausdrücklich der Normalsatz anzuwenden. Auf Drängen insbesondere Frankreichs ist in Anhang III der MwStSystRL die Nr. 6 mWv 1.6.2009 neu gefasst worden. Danach konnten die EU-Mitgliedstaaten ab diesem Zeitpunkt die Lieferung von Büchern nicht nur in Papierform, sondern auf jeglichen physikalischen Trägern dem ermäßigten Steuersatz unterwerfen (§ 12 UStG Rz. 95). Insbesondere Hörbücher konnten ab diesem Zeitpunkt in die Steuerermäßigung einbezogen werden. Die Bundesrepublik Deutschland hatte zunächst von der Möglichkeit der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Hörbücher keinen Gebrauch gemacht. Erst durch Gesetz v. 25.7.2014[2] ist eine Steuerermäßigung für Hörbücher, die auf physikalischen Trägermedien geliefert werden, mWv 1.1.2015 durch Neubesetzung der Nr. 50 der Anlage 2 des UStG eingeführt worden (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, Rz. 718ff.).

 

Rz. 3

Dagegen konnten nach Auffassung der EU-Kommission digitale Bücher (sog. E-Books) bislang nicht in die Steuerermäßigung einbezogen werden. Die EU-Kommission vertrat die Ansicht, bei der Bereitstellung digitaler Bücher und Zeitungen handele es sich um eine auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistung, die nach der MwStSystRL i. d. F. bis 3.12.2018 nicht ermäßigt besteuert werden dürfe. Dementsprechend hat die EU-Kommission nach entsprechender Aufforderung[3] Klage gegen Frankreich und Luxemburg erhoben, die trotzdem auf diese Erzeugnisse ab 1.1.2012 ermäßigte Steuersätze (Frankreich 7 %, Luxemburg 3 %) anwendeten.[4] Der EuGH hat daraufhin entschieden, dass Frankreich und Luxemburg auf die Lieferung elektronischer Bücher (sog. E-Books) – anders als bei Büchern aus Papier – keinen ermäßigten MwSt-Satz anwenden dürfen.[5] Auch der BFH hat klargestellt, dass digitale oder elektronische Sprachwerke (sog. E-Books) keine Bücher i. S. d. Nr. 49 Buchst. a der Anlage 2 des UStG sind und damit eine Steuerermäßigung auch nach deutschen Recht ausscheidet.[6] Schon die von Herbst 2013 bis März 2018 amtierende Bundesregierung wollte jedoch entsprechend dem Koalitionsvertrag[7] auf europäischer Ebene darauf hinwirken, dass künftig auf E-Books, E-Paper und andere elektronische Informationsmedien der ermäßigte MwSt-Satz Anwendung finden kann.[8]

 

Rz. 4

Auch die Parteien der nachfolgenden (von März 2018 bis Dezember 2021 amtierenden) Bundesregierung (wiederum sog. Große Koalition von CDU/CSU und SPD) haben in ihrem Koalitionsvertrag v. 7.2.2018[9] für die 19. Legislaturperiode erneut festgehalten, dass man sich auf europäischer Ebene für die Anwendung des ermäßigten MwSt-Satzes bei gewerblich gehandelten Kunstgegenständen, E-Books, E-Papers und anderen elektronischen Informationsmedien einsetzen wolle.

Schließlich hat sich nach langen Diskussionen der Rat der EU am 2.10.2018 auf einen Vorschlag geeinigt, wonach es den EU-Mitgliedstaaten gestattet wird, ermäßigte Steuersätze, besonders ermäßigte Steuersätze oder sogar Nullsätze auf elektronische Veröffentlichungen anzuwenden. Aufgrund dieser politischen Einigung wurde kurze Zeit später eine EU-Richtlinie herausgegeben.[10]

Durch diese EU-Richtlinie ist Anhang III Nr. 6 der MwStSystRL geändert worden. Danach können die EU-Mitgliedstaaten auf folgende Umsätze einen ermäßigten MwSt-Satz anwenden:

Lieferung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften auf physischen Trägern und/oder in elektronischer Form, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte und Manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten). Dies gilt jedoch nicht für Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus hörbaren Musik- und Videoinhalten bestehen.

Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 der MwStSystRL wurde dementsprechend dahingehend geändert, dass die ermäßigten MwSt-Sätze nicht anwendbar sind auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen mit Ausnahme der unter Anhang III Nr. 6 der MwStSystRL fallenden Dienstleistungen. Die EU-Richtlinie ist am 4.12.2018 in Kraft getreten. Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten haben daraufhin in ihrem nationalen Recht die Anwendung ermäßigter Steuersätze auf elektronische Publikationen vorgesehen. Auch Deutschland hat reagiert und eine entsprechende Gesetzesänderung in die Wege geleitet (Rz. 5ff.).

[1] Art. 98 i. V. m. Anhang III Nr. 6 MwStSystRL a. F.
[2] Art. 9 Nr. 8 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 25.7.2014, BGBl I 2014, 1266, BStBl I 2014, 1126.
[3] Kraeusel, UVR 2012, 321; Michel, DB 2012, 2007.
[4] Maunz, MwStR 2013, 392; Klage der EU-Kommission gegen Frankreich v. 6.9.2013, C-479/13, und Klage der EU-Kommission gegen Luxemburg v. 18.9.2013, C-502/13.
[5] ...

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