Rz. 530

In § 1 Abs. 2 UStG sind bestimmte deutsche Hoheitsgebiete aus der Definition des Inlandsbegriffs ausgenommen worden, sodass Umsätze, die in diesen Sondergebieten ausgeführt werden, grundsätzlich nicht steuerbar wären. Allerdings sind von den in § 1 Abs. 2 UStG aufgeführten Sondergebieten nur die Insel Helgoland und die Gemeinde Büsingen von dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts nach Art. 6 MwStSystRL ausgenommen worden. Zur Vermeidung eines unbesteuerten Letztverbrauchs werden bestimmte Umsätze in den Freihäfen[1] sowie in dem Gebiet der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie wie ein Umsatz im Inland behandelt.

 

Rz. 531

Die unionsrechtliche Sonderstellung der Freihäfen und des Küstenmeers beruht auf einer Protokollerklärung[2] zu Art. 3 und Art. 16 der 6. EG-Richtlinie, nach der bestimmte Gebiete aus dem nationalen Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts ausgeschlossen werden können, wenn sichergestellt ist, dass ein unbesteuerter Letztverbrauch verhindert wird.

 

Rz. 532

Die Sonderregelung des § 1 Abs. 3 UStG betrifft nur die ausdrücklich dort aufgeführten Gebiete. Die ebenfalls zum deutschen Hoheitsgebiet zählenden Gebiete der Gemeinde Büsingen, der Insel Helgoland sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören, die nicht zum Inland i. S. d. § 1 Abs. 2 UStG gehören, unterliegen nicht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 UStG.

 

Rz. 533

Unter die Regelung des § 1 Abs. 3 UStG fallen die Freihäfen. Eine nähere Definition ergibt sich nach § 1 Abs. 3 S. 1 UStG nicht. Aus dem Sinnzusammenhang ergibt sich, dass nur die Freihäfen unter § 1 Abs. 3 UStG fallen können, die bis 31.12.2020 Freizonen des Kontrolltyps I nach § 1 Abs. 1 S. 1 ZollVG bzw. seit dem 1.1.2021 Freizonen i. S. d. Art. 243 UZK darstellen. Die weiteren Freihäfen, die (bis 30.4.2016) als Freizonen nach dem damaligen Kontrolltyp II nicht Ausnahmegebiete des § 1 Abs. 2 S. 1 UStG darstellten, sind sowieso Inland, sodass Umsätze in diesen Gebieten steuerbare Umsätze sind; für eine Anwendung des § 1 Abs. 3 UStG besteht systematisch damit keine Grundlage. Nach dem Stand v. 1.10.2020 sind Freihäfen i. S. d. § 1 Abs. 3 UStG nur noch die Freihäfen Bremerhaven und Cuxhaven (Rz. 506). Durch die in den letzten Jahren erfolgten Aufhebungen diverser Freihäfen hat die Bedeutung des § 1 Abs. 3 UStG deutlich abgenommen.

 

Rz. 534

Ebenfalls Gebiete i. S. d. § 1 Abs. 3 UStG sind Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie. Die Hoheitsgrenze ist durch die seit dem 1.1.1995 auf 12-Seemeilen ausgedehnte deutsche Staatsgrenze definiert (Rz. 487). Als Strandlinie gelten seit 2011 nach der Definition der Finanzverwaltung in Abschn. 1.9 Abs. 3 UStAE die normalen und geraden Basislinien i. S. d. Art. 5 und 7 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.

 

Rz. 535

Wird ein Umsatz in den genannten Gebieten ausgeführt, wäre er eigentlich nicht steuerbar, da die Gebiete nicht zum Inland gehören. § 1 Abs. 3 UStG ändert auch nichts an der Einordnung dieser Gebiete als Drittlandsgebiet, sondern zieht aus der Eigenschaft "ausgeführt im Ausland" eine andere Konsequenz, als dies ansonsten der Fall wäre. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 UStG sind diese Umsätze wie Umsätze im Inland zu behandeln. Systematisch muss zur Anwendung des § 1 Abs. 3 UStG zuerst geprüft werden, wo der Umsatz nach den Grundsätzen des UStG tatsächlich ausgeführt ist. Dabei bestimmt sich der Ort der Leistung nach den allgemeinen Grundsätzen zur Bestimmung des Orts einer Lieferung (§ 3 Abs. 5a i. V. m. § 3c, § 3e, bis 17.12.2019 § 3f, § 3g oder § 3 Abs. 6 bis Abs. 8 UStG) oder einer sonstigen Leistung (§ 3a, § 3b, § 3e oder bis 17.12.2019 § 3f UStG). Durch § 1 Abs. 3 UStG kommt es nicht zu einer Verlagerung des Orts der Lieferung oder der sonstigen Leistung.

 

Rz. 536

Besonderheiten bestehen bei der Bestimmung des Orts einer Lieferung unter den Bedingungen des § 3c UStG. § 3c UStG verlagert den Ort der Lieferung an bestimmte Abnehmer (Nichtunternehmer, besondere Unternehmer, die die Erwerbsschwelle nicht überschritten haben) bei einer Beförderung oder Versendung durch den Unternehmer aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, wenn der leistende Unternehmer die unionseinheitliche Umsatzschwelle nach § 3c Abs. 4 UStG[3] überschritten oder auf die Anwendung der Bagatellregelung verzichtet hat. Gelangt ein Gegenstand bei einer Lieferung an die in § 3c UStG aufgeführten Abnehmer aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, verlagert sich unter den übrigen Bedingungen des § 3c UStG der Ort der Lieferung in den Freihafen (Lieferungen in den Küstenstreifen dürften auszuschließen sein). Die Lieferung ist zwar nicht im Inland ausgeführt, wird aber wie ein Umsatz im Inland behandelt (§ 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UStG). Umgekehrt gilt eine Lieferung aus den Freihäfen in einen anderen Mitgliedstaat unter den weiteren Bedingungen des § 3c UStG als...

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