Rz. 461

§ 1 Abs. 1a S. 3 UStG regelt, dass der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers tritt. Damit wird die Einzelrechtsnachfolge[1] des Erwerbers festgeschrieben, die sich aus Art. 19 MwStSystRL (früher Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie) ergibt.[2] Hintergrund ist die Vermeidung eines unbesteuerten Letztverbrauchs.

 

Rz. 462

Da der Erwerber in die Rechtsposition des Veräußerers tritt, muss der Erwerber alle vom Veräußerer ausgeübten Wahlrechte gegen sich gelten lassen. Insoweit ist er unter den weiteren Voraussetzungen insbesondere an die folgenden Entscheidungen des Veräußerers gebunden:

  • Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwellenregelung bei besonderen Unternehmern nach § 1a Abs. 4 UStG,
  • Verzicht auf die Anwendung der Umsatzschwellenregelung nach § 3c Abs. 4 UStG bei den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen[3] sowie für die Ortsbestimmung bei Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie für die auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen an Nichtunternehmer in der Europäischen Union oder juristische Personen ohne USt-IdNr.[4] nach § 3a Abs. 5 S. 2 UStG,
  • Option auf die Steuerpflicht bei steuerfreien Umsätzen nach § 9 UStG,
  • Verzicht auf die Kleinunternehmerbesteuerung nach § 19 Abs. 2 UStG,
  • Wahlrecht bei der Anwendung der Besteuerung nach allgemeinen Durchschnittssätzen nach § 23[5] und § 23a UStG,
  • Wahlrecht bei der Durchschnittssatzbesteuerung bei land- und forstwirtschaftlichen Erzeugern nach § 24 Abs. 4 UStG[6],
  • Anwendung der Sonderregelungen bei der Differenzbesteuerung (Einbeziehung bestimmter Wirtschaftsgüter in die Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 2 UStG; Wahlrecht zur Gesamtmargenbildung nach § 25a Abs. 4 UStG).

Soweit aber die Einzelregelungen eine Rücknahme der Ausübung der Wahlrechte für die Zukunft oder ggf. auch für die Vergangenheit vorsehen (z. B. bei dem Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG), tritt der Erwerber auch insoweit in die Rechtsposition des Veräußerers ein und kann diese Wahlrechte in seiner Person ausführen.

 

Rz. 463

Nach überwiegend vertretener Auffassung ist aus § 1 Abs. 1a S. 3 UStG aber nicht ableitbar, dass eine Rechtsnachfolge i. S. d. Übergangs des Steuerschuldverhältnisses gemeint ist.[7] Der Erwerber tritt damit wohl nicht in die Umsatzsteuerschulden des Veräußerers ein. Begründet wird dies überwiegend mit der Grundidee des § 1 Abs. 1a UStG, nach der die Übertragung des Gesamtunternehmens steuerneutral und einfach abgewickelt werden soll. Ein Haftungsanspruch gegen den Erwerber aus Altschulden aus dem Steuerschuldverhältnis kann sich aber unter den Voraussetzungen des § 75 AO ergeben.

 

Rz. 464

Der Erwerber muss jedoch umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen, die sich aus Handlungen des Veräußerers ergeben, sich aber erst nach der Übertragung des Unternehmens oder des Teilbetriebs auswirken, gegen sich gelten lassen. So sind Änderungen der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG, die aus Umsätzen des Veräußerers vor der Geschäftsveräußerung resultieren, beim Erwerber zu berücksichtigen, da nach § 17 Abs. 1 S. 8 UStG die Änderung erst für den Besteuerungszeitraum eintritt, in dem sich die Änderung der Bemessungsgrundlage ergeben hat. Auch bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) muss der Erwerber Umsatzsteuerbeträge entrichten, die aus ausgeführten Umsätzen des Veräußerers durch Vereinnahmung erst nach der Geschäftsveräußerung entstehen.

 

Rz. 465

Auch bei der Entnahme eines Gegenstands aus dem Unternehmen durch den Erwerber ergeben sich Konsequenzen in Abhängigkeit der damaligen umsatzsteuerrechtlichen Verhältnisse beim Veräußerer. Entnimmt der Erwerber einen Gegenstand, den der Veräußerer des Unternehmens ohne USt erworben hatte (z. B. Fahrzeug, das von einer Privatperson erworben wurde oder das in das Unternehmen eingelegt worden war), ist die Entnahme durch den Rechtsnachfolger wegen § 3 Abs. 1b S. 2 UStG nicht steuerbar. Hatte der Rechtsvorgänger aber aus der Anschaffung des Fahrzeugs einen Vorsteuerabzug, unterliegt auch die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b S. 1 UStG der USt. Soweit eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG auch für die Vergangenheit noch zu Veränderungen führt (z. B. bei nachträglicher Verkürzung des Berichtigungszeitraums[8]), wird dies auch dem Erwerber zuzurechnen sein.

 

Rz. 466

Entstehen die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug aus einem noch vom Veräußerer veranlassten Vorgang erst nach der Geschäftsveräußerung (z. B. wenn der Veräußerer die Leistung bezogen hat, der Erwerber des Unternehmens aber die Rechnung erhält), kann der Vorsteuerabzugsanspruch vom Erwerber geltend gemacht werden, da die Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug nach h. M. erst dann vorliegen, wenn die Leistung bezogen wurde und die Rechnung vorliegt (mit Ausnahme der Anzahlungen, bei denen ein Vorsteuerabzug schon mit Zahlung und Rechnungsvorlage möglich ist).

[2] Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 8.11.1993...

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