Rz. 403

Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1a S. 2 UStG vor, wenn

  • ein Unternehmen oder
  • ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen
  • entgeltlich oder
  • unentgeltlich übereignet oder
  • in eine Gesellschaft eingebracht wird.
 

Rz. 404

Damit die Rechtsfolge der Nichtsteuerbarkeit eintreten kann, muss die Geschäftsveräußerung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erfolgen (§ 1 Abs. 1a S. 1 UStG).

 

Rz. 405

Ob die für die Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG notwendigen Voraussetzungen vorliegen, kann dabei nicht nach nationalen ertragsteuerrechtlichen Kriterien bestimmt werden.[1] Nach Auffassung des EuGH[2] verlangt die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und der Gleichheitssatz, dass Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, i. d. R. in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung finden müssen, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der betreffenden Regelung verfolgten Zwecks zu ermitteln ist. Da die Regelung des Art. 19 MwStSystRL (früher Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie) nicht ausdrücklich auf das Recht der einzelnen Mitgliedstaaten verweist, müssen die Begriffe unionsrechtskonform interpretiert werden. Die Auslegungsgrundsätze des § 75 AO sind ebenfalls nicht maßgebend, obwohl sich die Begriffe der Vorschriften teilweise decken.[3]

 

Rz. 406

Nach der grundlegenden Entscheidung des EuGH im Verfahren Zita Modes[4] ist der Begriff Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, dahin auszulegen, dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils erfasst, die jeweils materielle und ggf. immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann; er schließt jedoch nicht die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf eines Warenbestands ein. Der Begünstigte muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder den Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln.

6.4.1 Veräußerung durch einen Unternehmer

 

Rz. 407

Der Verkäufer muss bei der Veräußerung des Unternehmens oder des in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betriebs Unternehmer sein. Der Unternehmer kann auch nach der Übertragung des (Teil)Betriebs weiterhin unternehmerisch tätig sein (z. B. bei Übertragung eines gesondert geführten Betriebs und Fortführung des restlichen Betriebs); die Geschäftsveräußerung im Ganzen kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Erwerber nach der Geschäfts- oder Teilbetriebsveräußerung nicht mehr unternehmerisch tätig sein darf.[1] Auch kann eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG vorliegen, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen zurückbehalten werden (Rz. 417) und diese mietweise an den Erwerber des Unternehmens überlassen werden. Insoweit wird der Veräußerer des Unternehmens weiterhin als Vermieter unternehmerisch tätig.

 

Rz. 408

Hat der Veräußerer sein gesamtes Unternehmen insgesamt übertragen und führt er auch keine weitere unternehmerische Tätigkeit aus, ist die Unternehmereigenschaft des Veräußerers damit nicht automatisch beendet. In der sog. Abwicklungsphase kann der Veräußerer noch Leistungen als Unternehmer beziehen, die mit der Abwicklung der unternehmerischen Betätigung verbunden sind (z. B. Leistungsbezug für die Steuererklärungen der letzten Periode); die Unternehmereigenschaft endet erst mit Lösung der letzten unternehmerischen Beziehung.[2]

 

Rz. 409

In der Praxis wird die Unternehmereigenschaft des übertragenden Unternehmers regelmäßig kein Problem sein. Die Regelung des § 1 Abs. 1a UStG ist systematisch nur dann anzuwenden, wenn der Vorgang ansonsten (ohne die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG) zu einem steuerbaren Umsatz führen würde. Ist der Übertragende nicht unternehmerisch tätig, kann sich grundsätzlich keine Steuerbarkeit des Vorgangs ergeben, die Sonderregelung des § 1 Abs. 1a UStG ist in diesem Fall systematisch unbeachtlich.

 

Rz. 410

Die Unternehmereigenschaft des Übertragenden wird ggf. in anderem Zusammenhang von Bedeutung sein, wenn es um den Vorsteuerabzug aus bezogenen Leistungen geht. So hat der EuGH[3] entschieden, dass die sog. Vorgründungsgesellschaft bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft durch die Übertragung eines Gesamtunternehmens auf die durch den notariellen Gesellschaftsvertrag entstehende Gründungsgesellschaft Unternehmereigenschaft erlangen kann und der Umsatz im Zusammenhang mit der Übertragung deshalb unter Art. 5 Abs. 8 der...

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