Rz. 60

Eine Leistung i. S. d. Regelung muss sich auf eine Leistung im wirtschaftlichen Sinn richten (abgeleitet aus Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL, nach der zur Begründung der Unternehmereigenschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeführt werden muss), ob es sich auch um eine Leistung im rechtlichen Sinne handelt, ist nicht von Bedeutung. Ebenso wenig ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Bedeutung, ob eine rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung bestand. Dabei ist es für einen Umsatz im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ausreichend, wenn der Unternehmer Leistungsbereitschaft hat. Ob der Leistungsempfänger die bezogene Leistung tatsächlich verwendet, ist für die Ausführung einer Leistung unerheblich.[1]

 

Rz. 61

Eine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein. Auch die Bereitschaft, eine Leistung zu erbringen (Leistungsbereitschaft)[2] oder die Verschaffung der Möglichkeit, eine Leistung in Anspruch nehmen zu können, kann als Leistung im wirtschaftlichen Sinne beurteilt werden.[3] Die Leistung hängt davon ab, dass der Leistende mit seiner Tätigkeit ein eigenes wirtschaftliches Ziel verfolgt.[4] Die bloße Entgeltentrichtung, insbesondere die Geldzahlung oder Überweisung, ist keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne. Ebenso ist die Weiterbelastung von Kosten keine Leistung im wirtschaftlichen Sinn und kann nicht zu einem steuerbaren Umsatz führen.[5] Regelmäßig wird diese "Weiterbelastung von Kosten" systematisch aber die Zahlung eines Entgelts für eine – z. B. im Rahmen einer Leistungskommission – ausgeführte Leistung darstellen.

 

Rz. 62

Für die umsatzsteuerrechtliche Einordnung ist es nicht entscheidend, ob die Leistung aufgrund eines rechtsgültig abgeschlossenen Vertrags ausgeführt wurde, maßgeblich ist nur die tatsächliche Ausführung einer Leistung. Aus diesem Grund kann die steuerrechtliche Konsequenz auch nicht aus einer vertraglichen Vereinbarung abgeleitet werden, die Beurteilung ergibt sich anhand der vom Unternehmer jeweils ausgeführten Leistung. Vertragliche Vereinbarungen können höchstens Indizwirkung für die zutreffende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung haben.

 

Rz. 63

Eine Leistung unterliegt der USt, unabhängig davon, ob die Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt; so ist entschieden worden:

  • Leistungen einer Prostituierten sind steuerbar, auch wenn die Leistung (damals) als "gewerbsmäßige Unzucht" sittenwidrig[6] war. Die Verwirklichung des Steueranspruchs gegen die Prostituierte verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG, weil es anderen Prostituierten gelingt, der Besteuerung auszuweichen.[7]
  • Die Veranstaltung nicht genehmigter Glücksspiele (hier nicht genehmigtes Roulettespiel) unterliegt grundsätzlich der USt als steuerbarer Umsatz.[8]
  • Lieferungen von Gegenständen, die gegen ein teilweises Handelsverbot (Embargovorschrift) verstoßen, unterliegen dennoch der USt und können zu steuerfreien Ausfuhrlieferungen führen.[9]
  • Die Lieferung von nachgemachten (Parfum-)Erzeugnissen fällt in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts, auch wenn solche Lieferungen strafbar sind.[10]
 

Rz. 64

Allerdings darf der Handel mit solchen Waren nicht vollständig ausgeschlossen sein. Werden Waren eingeführt oder geliefert, deren Einführung in den Wirtschafts- und Handelsverkehr der Europäischen Union grundsätzlich völlig ausgeschlossen ist und die nur Anlass zu Strafverfolgungsmaßnahmen geben können, unterliegen diese Vorgänge nicht den Regelungen der USt.[11] Dies betraf den Handel mit Falschgeld und Betäubungsmitteln. Die Finanzverwaltung wendet dies grundsätzlich nur auf die Lieferung von Betäubungsmitteln an und erfasst diese Lieferungen nicht als steuerbare Leistungen.[12]

 

Rz. 65

Bei vertraglichen Vereinbarungen kommt es für die Steuerbarkeit nicht auf das Verpflichtungsgeschäft an; kommt es nicht zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung, ergibt sich keine Leistung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn die Verpflichtung der eigentliche Gehalt der wirtschaftlichen Leistung ist. Wird aber ein Beratervertrag gegen eine "Entschädigung" aufgelöst, ohne dass die Beratung stattgefunden hat, kann die Zahlung als Entgelt und nicht als Schadensersatz anzusehen sein[13], vgl. dazu auch die Abgrenzung zum Schadensersatz Rz. 213.

 

Rz. 66

Ein Leistungsaustausch kann sich auch zwischen nahen Angehörigen ergeben, im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen ist ein Leistungsaustausch nicht bereits dann zu verneinen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen, deren Vollzug aber nicht vertragsgemäß ist, oder wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist.[14] Auch Angehörige können ihre Rechtsverhältnisse untereinander so gestalten, dass sie für sie möglichst günstig sind.[15] Ein im Ertragsteuerrecht erforderlicher Fremdvergleich bei Leistungen zwischen nahestehenden Personen kennt das Umsatzsteuerrecht nicht.[16] Allerdings kann in bestimmten Fällen auch ein Gestaltungs...

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