Kompliziert werden die Berechnungen, wenn sie mehrere Wirtschaftsjahre umfassen, in denen Gewinne und Verluste angefallen sind. Denn der Verlust eines Jahres hat zwar keine Auswirkungen auf die Überentnahme dieses Jahres, war aber nach Auffassung der Finanzverwaltung vorrangig mit Unterentnahmen vorangegangener bzw. zukünftiger Wirtschaftsjahre zu verrechnen.

Der vorstehenden Auffassung der Finanzverwaltung ist der BFH in 2 Urteilen[1]

entgegengetreten; die Finanzverwaltung ist dem gefolgt.[2] Nach Auffassung von BFH und BMF

  • ist die Überentnahme eines Wirtschaftsjahres auch im Verlustfall stets auf den Überschuss der Entnahmen über die Einlagen des Wirtschaftsjahres beschränkt;
  • ist ein Einlagenüberschuss eines Wirtschaftsjahres mit dem Verlust dieses Wirtschaftsjahres zu verrechnen,
  • gelten diese Grundsätze auch bei einer periodenübergreifenden Berechnung der Überentnahmen.

Das hat zur Folge, dass

  • in einem ersten Schritt die Überentnahmen periodenübergreifend seit Einführung des § 4 Abs. 4a EStG zum 1.1.1999 zu ermitteln sind, indem die Summe aller Gewinne und Verluste sowie aller Einlagen und Entnahmen berechnet und alljährlich fortgeschrieben wird;
  • die für ein Wirtschaftsjahr anzusetzende Überentnahme in einem zweiten Schritt auf den Überschuss der Entnahmen über die Einlagen während der Totalperiode begrenzt wird.

Diese Berechnungsweise lässt sich am einfachsten anhand des ein Einzelunternehmen betreffenden Urteilssachverhalts für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2008 verdeutlichen. Für dieses lagen folgende Daten vor:

 
Spalten 1 2 3 4 5 6 7
 

Gewinn vor

§ 4 Abs. 4a EStG
Einlagen Entnahmen Überentnahmen Entnahmenüberschuss
        Jahr kumuliert Jahr kumuliert
1999 -606.903 291.574 613.294 -928.623 -928.623 -321.720 -321.720
2000 25.947 250.991 331.563 -54.625 -983.248 -80.572 -402.292
2001 198.152 18.260 121.656 94.756 -888.492 -103.396 -505.688
2002 149.601 3.564 77.809 75.356 -813.136 -74.245 -579.933
2003 9.073 5.622 273.968 -259.273 -1.072.409 -268.346 -848.279
2004 21.159 18.640 54.884 -15.085 -1.087.494 -36.244 -884.523
2005 -275.231 17.580 118.238 -375.889 -1.463.383 -100.658 -985.181
2006 83.934 698.000 81.060 700.874 -762.509 616.940 -368.241
2007 88.804 10.555 33.781 65.578 -696.931 -23.266 -391.467
2008 94.469 49.311 77.757 66.023 -630.908 -28.446 -419.913

Die Spalten 1 bis 3 enthalten die Gewinne bzw. Verluste sowie die Einlagen und Entnahmen der einzelnen Wirtschaftsjahre. In Spalte 4 werden hieraus die jährlichen Überentnahmen ermittelt, in Spalte 5 periodenübergreifend fortgeschrieben. Spalte 6 enthält den Saldo der jährlichen Einlagen und Entnahmen, Spalte 7 deren Fortschreibung über alle Perioden. Da die fortgeschriebenen Salden in Spalte 7 für die strittigen Jahre 2005 bis 2008 niedriger als diejenigen in Spalte 5 ausfielen, griff die Begrenzung auf die Überentnahmen. Für das Jahr 2008 wurden z. B. Schuldzinsen in Höhe von 6 % von 419.913,00 EUR (25.194,78 EUR) als nicht abzugsfähig ermittelt.

Die neue Rechtsprechung ist laut BMF[3] in allen offenen Fällen anzuwenden. Aus Vertrauensschutzgründen besteht jedoch für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2018 begonnen haben, die Möglichkeit, die Anwendung der bisherigen Verwaltungsauffassung zu beantragen, falls diese sich günstiger auswirken sollte.

Das FG Rheinland-Pfalz[4] hat die Rechtsprechung des BFH fortgeführt und die Anwendung auf einen einfachen Nenner gebracht: "Nicht abziehbare Schuldzinsen sind gemäß § 4 Abs. 4a S. 3 und 4 EStG nur hinzuzurechnen, wenn Überentnahmen vorliegen. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Eigenkapital negativ ist. Solange es positiv ist, greift § 4 Abs. 4a EStG nach seinem Normzweck nicht und es liegen Entnahmen und keine Überentnahmen vor." Allerdings hat das FG[5] dies kurz darauf dahingehend eingeschränkt, dass diese Aussage auf Fälle der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG mangels Bilanzierung des Eigenkapitals nicht übertragbar ist.

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