Rz. 37

Das Verfahren nach § 160 AO vollzieht sich in zwei Stufen. Auf der ersten Stufe muss das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob es im Einzelfall ein Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richtet. Die Entscheidung ist in besonderem Maße unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu treffen. Das Benennungsverlangen ist dem Grunde nach gerechtfertigt, wenn der Verdacht oder die Vermutung begründet ist, der Gläubiger oder Zahlungsempfänger könnte den Geschäftsvorfall zu Unrecht nicht versteuert haben. Es genügt schon, dass diese Annahme nicht auszuschließen ist. Das Benennungsverlangen kann im Einzelfall unverhältnismäßig sein, wenn die für den Stpfl. zu befürchtenden Nachteile (z. B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg (z. B. geringfügige Steuernachholung bei dem Empfänger) stehen.[1] Das Benennungsverlangen kann ferner unzumutbar sein, wenn der Steuerpflichtige selbst Opfer einer für ihn undurchschaubaren Täuschung über die wahre Identität des Zahlungsempfängers geworden ist und sich ihm in dieser Hinsicht auch keine Zweifel aufdrängen mussten.[2] Dies gilt auch im Hinblick auf Zahlungen an ausländische Gesellschaften, wenn der Steuerpflichtige Nachforschungen angestellt hatte und er aus seiner Sicht nicht davon ausgehen musste, dass es sich bei dem Vertragspartner um eine Domizilgesellschaft handelte.[3] Da es um den Abzug einzelner Betriebsausgaben geht, ist die Frage der Verhältnismäßigkeit eines Benennungsverlangens nicht für alle Geschäftsvorfälle einheitlich, vielmehr im Hinblick auf den jeweiligen einzelnen Geschäftsvorfall zu beurteilen. Dabei kann nur auf den Zeitpunkt der entsprechenden Zahlung abgestellt werden. Entscheidend ist, inwieweit für den Steuerpflichtigen zu diesem Zeitpunkt zumutbar war, sich nach den Gepflogenheiten eines ordnungsmäßigen Geschäftsverkehrs der Identität seines jeweiligen Geschäftspartners zu vergewissern, um so in der Lage zu sein, ihn als Empfänger von Zahlungen zutreffend zu bezeichnen.[4]

 

Rz. 38

Das Benennungsverlangen bei Domizilgesellschaften[5] ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung nahe liegt, dass der Empfänger der Zahlung die Einnahme zu Unrecht nicht versteuert hat. Das ist regelmäßig der Fall, wenn anzunehmen ist, dass die Angaben über den Empfänger einer Zahlung (Name und Anschrift) in der Buchführung unzutreffend oder nicht vollständig sind. Mit dem Ziel einer zutreffenden und gleichmäßigen Steuererhebung hat die Finanzbehörde dann ein berechtigtes Interesse an der Bekanntgabe des zutreffenden Namens und der richtigen Adresse, um ohne besondere Schwierigkeiten und Zeitaufwand in der Lage zu sein, den Empfänger zu ermitteln und die Beiträge bei ihm zu erfassen.[6] Die Vermutung, dass der Empfänger der Zahlung diese zu Unrechnt nicht versteuert hat, begründet insbesondere bei Auslandsbeziehungen eine erhöhte und auch bei Berücksichtigung der regelmäßig schwierigen Aufklärung der Verhältnisse zumutbare Mitwirkungspflicht.[7] Bei zumutbarem Leistungsverlangen des Finanzamts trifft das Risiko der Unaufklärbarkeit der wirtschaftlichen Zahlungsempfänger den Steuerpflichtigen.[8] Das Benennungsverlangen ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil gegenüber dem zahlenden Unternehmer eine in der EU ansässige Person oder Gesellschaft als Vertragspartner aufgetreten ist.[9]

 

Rz. 39

Das Verlangen nach genauer Empfängerbenennung ist kein Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO, sondern nur eine Vorbereitungshandlung zum Erlass eines Verwaltungsaktes.[10] Seine Rechtmäßigkeit kann daher nur im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens (Einspruch gegen geänderte Steuerbescheide) überprüft werden.

 

Rz. 40

Lehnt der Steuerpflichtige die Benennung des tatsächlichen Empfängers (d. h. den Gläubiger der Schuld oder den Empfänger der Ausgabe genau zu benennen) ab oder ist die "Empfängerbenennung" unzureichend, so ist im Rahmen einer zweiten Ermessensentscheidung zu prüfen, ob und in welcher Höhe der Abzug der Ausgaben bzw. Schulden zu versagen ist. Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Abzug dann regelmäßig zu versagen.[11] Dies gilt auch dann, wenn an der tatsächlichen Leistung und betrieblichen Veranlassung der Ausgabe kein Zweifel besteht. Ist sowohl streitig, ob der Höhe nach Betriebsausgaben vorliegen, als auch, ob die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger dem Abzug entgegensteht, so ist zunächst die Höhe der Betriebsausgaben zu ermitteln oder ggf. zu schätzen. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger dem Abzug der Betriebsausgaben entgegensteht. Die bei der Anwendung des § 160 AO zu treffenden Ermessensentscheidungen können eine unterlassene Schätzung nicht ersetzen.[12]

 

Rz. 40a

Ist das Benennungsverlangen rechtswidrig, insbesondere weil es ermessensfehlerhaft ist, so darf der Betriebsausgabenabzug nicht versagt werden. Ein Benennungsverlangen nach § 160 AO ist bei summarischer Prüfung ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, we...

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