Leitsatz

1. Die KSt einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft wird nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 n. F./1997 nicht angerechnet, wenn die Einnahmen oder die anrechenbare KSt bei der Veranlagung nicht erfasst werden. Dass die Anrechnungsbeschränkung auf unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaften gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit verstößt (Anschluss an EuGH-Urteil vom 6.3.2007, C-292/04Meilicke I, BFH/NV Beilage 2007, 273, BFH/PR 2007, 187), ändert daran nichts. Anders verhielt es sich bezogen auf die anrechenbare KSt allerdings nach Maßgabe von § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 a.F. für Veranlagungszeiträume bis 1995 (insoweit Bestätigung des Senatsurteils vom 6.10.1993, I R 101/92, BStBl II 1994, 191).

2. Um den unionsrechtlichen Anforderungen standzuhalten, muss bei der Berechnung des Anrechnungsbetrages die im Sitzmitgliedstaat der ausschüttenden Kapitalgesellschaft tatsächlich entrichtete Steuer berücksichtigt werden, wie sie sich aus den auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen anwendbaren allgemeinen Regeln und aus dem Satz der KSt im Sitzmitgliedstaat ergibt. Die tatsächliche Entrichtung der KSt ist jedoch nicht Anrechnungsvoraussetzung. Die maßgebliche ausländische (hier dänische und niederländische) KSt ist aus Gründen der unionsrechtlich einzufordernden Gleichbehandlung mit einem Inlandssachverhalt ­einem vom Anteilseigner vereinnahmten Beteiligungsertrag im grenzüberschreitenden Sachverhalt vielmehr nach den steuerlichen Grundsätzen einer "Verwendungsfiktion" zuzuordnen, und zwar unabhängig davon, ob es im Ausland an einer Verpflichtung zur Eigenkapitalgliederung fehlt.

3. Für die Anrechnung ausländischer KSt bedarf es einerseits keiner "Schatten-Eigenkapitalgliederung". Andererseits genügt aber auch die Vorlage einer "nur-formellen" KSt-Bescheinigung der depotführenden Bank nicht, wenn dadurch der materiell-rechtliche Anrechnungsbetrag nicht definitiv belegt wird (Anschluss an das EuGH, Urteil Meilicke II vom 30.6.2011, C-262/09, BFH/NV 2011, 1467, BFH/PR 2011, 338).

4. Fehlt ein Nachweis der tatsächlich entrichteten KSt, kann die Berechnung der KSt-Gutschrift nicht auf eine bloße Schätzung des einschlägigen Steuersatzes gestützt werden.

 

Normenkette

§ 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG 1990 i.d.F. bis zur Änderung durch das JStG 1996, § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG 1990 i.d.F. des JStG 1996/EStG 1997, § 44, § 45 KStG 1991, Art. 56 EG (= Art. 63 AEUV), § 218 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Die Kläger, Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Erblasser, Heinz Meilicke (M), streiten mit dem FA darüber, ob dänische und niederländische KSt, die auf von M bezogenen Dividenden lasten sollen, bei der Steuerfestsetzung als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen und auf die individuell festgesetzte ESt anzurechnen sind. Die Dividenden waren an M von dänischen und niederländischen Kapitalgesellschaften ausgeschüttet worden. Streitjahre sind 1995 bis 1997.

Das FA hatte die betreffenden ausländischen KSt in den ESt-Bescheiden, die es für die Streitjahre erlassen hat, weder bei den Veranlagungen erfasst noch im Rahmen der den Festsetzungen beigefügten Anrechnungsverfügungen berücksichtigt. Die Steuerbescheide datieren unter dem 16.2.1998 (1995), dem 7.9.1998 (1996) und dem 26.7.2000 (1997); die Festsetzungen für 1995 und für 1996 standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO.

Am 30.10.2000 beantragte der Kläger zu 1. die Anrechnung von 3/7 der von M in den Streitjahren erzielten Dividendeneinnahmen aus den dänischen und niederländischen Aktien. Die Anrechnung sei im Hinblick auf die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit und der daraus abzuleitenden Gleichbehandlung mit entsprechenden Inlandssachverhalten geboten. Das FA lehnte das ab. Es verweigerte auch die "Erteilung von geänderten Abrechnungsverfügungen zu den ESt-Festsetzungen 1995, 1996 und 1997". Im Verlaufe des anschließenden Klageverfahrens erließ es unter dem 20.2.2003 einen in der Sache gleichlautenden "Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO".

Die von den Klägern dagegen erhobene Klage blieb – nach Ergehen der EuGH-Urteile Meilicke I und Meilicke II – erfolglos, letztlich deswegen, weil es sowohl an der Vorlage ordnungsmäßiger KSt-Bescheinigungen als auch an Nachweisen über die Höhe ggf. anrechenbarer KSt mangelte. Bezogen auf das Streitjahr 1995 behandelte das FG die Klagen als unzulässig (FG Köln, Urteil vom 27.8.2012, 2 K 2241/02, Haufe-Index 3657813, EFG 2012, 2300).

 

Entscheidung

Der BFH hielt die Klage in weiterem Umfang für unzulässig: Es fehle an der erforderlichen Anfechtung auch der ESt-Bescheide, in denen die anzurechnenden ausländischen KSt zu erfassen gewesen wären. Dieses Manko sei lediglich für das Streitjahr folgenlos, weil es nach der dafür geltenden Regelungslage in § 36 EStG einer solchen Erfassung noch nicht bedurft habe. Am Ergebnis ändere das jedoch nichts: Die Kläger hätten die anzurechnenden KSt nicht in der gebotenen ...

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