Revision eingelegt (BFH III R 45/19)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Ermessensreduzierung auf Null bei Nichtberücksichtigung des eigenen Verschuldens der Familienkasse

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nichtberücksichtigung des eigenen Verschuldens der Familienkasse kann im Einzelfall zur Ermessensreduzierung auf Null führen.

 

Normenkette

AO § 227 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.05.2020; Aktenzeichen III R 45/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Billigkeitserlass einer Kindergeldrückforderung unter dem Gesichtspunkt der Anrechnung des Kindergeldes auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II.

Der Kläger ist am xx.xx.1995 geboren und erhielt das Kindergeld aufgrund des Abzweigungsbescheides vom 05. März 2015 für den Zeitraum Januar 2015 bis einschließlich Mai 2016 direkt ausbezahlt. Kindergeldberechtigt war seine Mutter.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2015 teilte die Beklagte der Kindergeldberechtigten zunächst mit, dass ein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für den Kläger nicht mehr bestehe und die Kindergeldfestsetzung entsprechend ab dem Monat Januar 2015 aufzuheben sei, da dieser seiner Meldepflicht bei der Arbeitsvermittlung nicht nachgekommen sei.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2015 meldete sich das Jobcenter des Kreises A bei der Beklagten und beantragte für den Kläger Kindergeld, da er sich dort ausbildungsplatzsuchend gemeldet habe. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 23. Februar 2015 die Abzweigung des Kindergeldes und Zahlung an ihn selbst, da er nicht mehr mit seiner Mutter in einem Haushalt lebe. Nachdem der Kläger die aufgrund des Schreibens des Jobcenters von der Beklagten geforderten Unterlagen übersandt hatte, bewilligte diese das Kindergeld mit Bescheid vom 05. März 2015 ab Januar 2015 mit dem Hinweis, dass das durch das Jobcenter vorverauslagte Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2015 verrechnet werde. Mit weiterem Bescheid vom 05. März 2015 bewilligte die Beklagte die Abzweigung des monatlichen Kindergeldes zugunsten des Klägers. Die Belehrung über die Mitwirkungspflichten des Klägers lautete wie folgt: "Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie verpflichtet sind, jede wichtige Veränderung - wie z. B. Umzug, Beendigung der Ausbildung und ähnliches - unverzüglich unter Angabe der Kindergeldnummer und des Namens des Kindergeldberechtigten der obengenannten Familienkasse mitzuteilen.". Anschließend wurde das Kindergeld dann bis einschließlich Mai 2016 ausbezahlt und entsprechend bei den Sozialleistungen nach dem SGB II in Abzug gebracht.

Mit Bearbeitungshinweis vom 19. August 2015 stellte die Beklagte fest, dass der streitbefangene Kindergeldfall zur Überprüfung anstehe, da der Kläger ein Kind ohne Ausbildungsplatz sei und diese Fälle halbjährlich zu überprüfen seien. Diese Überprüfung erfolgte laut Aktenlage nicht.

Mit weiterem Bearbeitungshinweis vom 17. Februar 2016 stellte die Beklagte erneut fest, dass ein weiteres halbes Jahr vergangen sei und eine weitere Überprüfung des Falles hinsichtlich der anspruchsbegründenden Voraussetzungen für ein Kind ohne Ausbildungsplatz anstünde. Diese Überprüfung erfolgte ebenfalls laut Aktenlage nicht.

Am xx.xx.2016 vollendete der Kläger das 21. Lebensjahr, woraufhin die Beklagte die Bewilligung der Kindergeldzahlung für den Kläger mit Bescheid vom 11. Mai 2015 aufhob. Mit Schreiben vom 26. Mai 2016 forderte die Beklagte das Jobcenter des Kreises A auf, mitzuteilen, ob der Kläger in der Zeit von März 2015 bis Mai 2016 durchgehend ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen sei. Der Kläger erhielt mit gleichem Datum eine Abschrift des Schreibens.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 beantragte das Jobcenter erneut die Festsetzung von Kindergeld für den Kläger. Zeitgleich informierte es die Beklagte darüber, dass der Kläger seit März 2015 keine Bewerbungen auf Ausbildungsplätze vorgelegt habe und daher nicht mehr ausbildungsplatzsuchend gemeldet sei. Die Beklagte forderte daraufhin die Kindergeldberechtigte mit Schreiben vom 14. Juni 2016 auf, die entsprechenden Nachweise für die Ausbildungsplatzsuche einzureichen. Diese teilte daraufhin mit, dass sie darüber keine Angaben machen könne, da der Kläger seit November 2014 nicht mehr bei ihr wohne. Der Kläger teilte darüber hinaus mit, dass er Leistungen nach dem SGB II erhalten habe und das Kindergeld vollumfänglich angerechnet worden sei. Er habe kein Geld zu viel erhalten. Im Rahmen seiner Weiterbewilligungsanträge im Mai 2015, im November 2015 und im Mai 2016 habe ihn niemand darüber informiert, dass er diese Nachweise einreichen müsse. Er ging davon aus, dass das Jobcenter die Meldung "ausbildungsplatzsuchend" für den streitgegenständlichen Zeitraum bestätigen würde.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Kläger ab März 2015 auf und forderte den Betrag in Höhe von insgesamt 2.830,00 € zurück. Sie wies die Kindergeldberechtigte daraufhin, dass sie den Betrag aufgrund der Abzweigung vom Kläger fordern würde. Mit Bescheid vom 20. Oktobe...

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