Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel und Objektbegriff

 

Leitsatz (amtlich)

Ein freistehendes Mehrfamilienhaus ist auch dann ein Objekt im Sinne der Drei-Objekt-Grenze, wenn es sich zusammen mit weiteren Mehrfamilienhäusern auf einem ungeteilten Grundstück befindet. Wird ein Grundstück mit fünf jeweils freistehenden Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 36 Wohneinheiten bebaut und kurz vor Abschluss der Bauarbeiten an einen einzelnen Erwerber veräußert, dann ist die Drei-Objekt-Grenze überschritten. Die Verpflichtung zur schlüsselfertigen Erstellung der gesamten baulichen Anlage, zur Vollvermietung und Übernahme einer Mietgarantie sowie zur eigenen Gewährleistung stellen relevante Zusatzleistungen dar, welche schon unabhängig von der Wahrung der Drei-Objekt-Grenze den Schluss auf eine gewerbliche Betätigung rechtfertigen können. Dies gilt auch für den Fall einer weitgehenden Fertigstellung und Vermietung des Objekts im Zeitpunkt des Verkaufs.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.05.2011; Aktenzeichen IV R 34/08)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels.

Die Klägerin ist eine zwischenzeitlich in Liquidation befindliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), welche durch Gesellschaftsvertrag vom 15. April 1993 gegründet wurde. Gesellschafterinnen und Liquidatorinnen sind Frau A, geboren 1940, und Frau B, geboren 1939. Sie haben jeweils einem Gewinnanteil von 50%. Auf den näheren Inhalt des Gesellschaftsvertrages wird Bezug genommen. A ist mit einem Bauunternehmer, dem Zeugen AA, verheiratet. B ist die Ehefrau eines Architekten, des Zeugen BB. Im Jahre 1993 erwarb die Klägerin das Grundstück in Größe von insgesamt 4.668 qm mit der späteren Straßenbezeichnung ... zum Zwecke der Bebauung mit fünf Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 36 Wohnungen zum Preis von 700.200 DM. Die Grundstücksübergabe sollte zum 31. Oktober 2003 erfolgen. Nach Angaben der Klägerin sollten die Wohnungen dauerhaft vermietet werden, um den Gesellschafterinnen eine angemessene Altersversorgung bieten zu können. Aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Hausfrauen hätten sie nur eine relativ geringe Rente zu erwarten. Die Errichtung der Wohnungen wurde im Rahmen des Zweiten Wohnungsbauförderungsgesetzes im dritten Förderungsweg öffentlich gefördert.

Kurz vor Fertigstellung der Wohnungen wurde das Grundstück mit Kaufvertrag vom 15. November 1994 zum Preis von 7.066.594 DM an den Zeugen X zum Übergabestichtag 31. Dezember 1994 veräußert. Dem Zeugen X wurde das Objekt zuvor mit Maklerexposé des Zeugen Y vom 1. September 1994 und vom 18. Oktober 1994 angeboten. Die Klägerin verpflichtete sich im Kaufvertrag zur schlüsselfertigen Errichtung der Häuser sowie zur Beschaffung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Weiterhin übernahm sie die Verpflichtung, "das Kaufobjekt bis zum Ablauf des 31.12.1995 vollvermietet zu übergeben", und garantierte dem Käufer für die Jahre 1995 und 1996 eine Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 25.628,40 DM zuzüglich der von den Mietern zu tragenden Nebenkosten unter der Voraussetzung, dass der Käufer mit dem Zeugen AA oder der Fa. ... GmbH für diese Jahre einen Verwaltervertrag bezüglich der 36 Wohnungen abschließt. Auf den näheren Inhalt des Vertrages wird verwiesen. Am 29. August 1995 vereinbarten die Gesellschafterinnen die Auflösung der Klägerin. Auf den Inhalt des Auflösungsbeschlusses wird Bezug genommen.

Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - stellte die Einkünfte der Klägerin und ihrer Beteiligten mit Feststellungsbescheiden 1993 - 1995 vom 28. Mai 1998 zunächst wie folgt fest:

1993

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

./. 10.651 DM

1994

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

./. 159.400 DM

Einnahmen aus Kapitalvermögen

1.235 DM

1995

Einnahmen aus Kapitalvermögen

2.882 DM

Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das FA die Ansicht, die GbR sei gewerblich tätig gewesen, und stellte für die Jahre 1993 bis 1995 mit nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Feststellungsbescheiden vom 6. Januar 1999 folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest:

1993:

./. 10.651 DM,

1994:

2.047.113 DM,

1995:

./. 6.964 DM.

Die Klägerin erhob gegen den geänderten Feststellungsbescheid 1994 Einspruch, welchen das FA mit Einspruchsentscheidung vom 27. August 2003 zurückwies: Die Drei-Objekt-Grenze sei überschritten. Die Klägerin habe sich gegenüber dem Erwerber neben der schlüsselfertigen Erstellung des Gesamtobjekts und der Übernahme der Vermietungsgarantie auch zur Beschaffung der Abgeschlossenheitsbescheinigung nebst Aufteilungsplänen nach dem WEG verpflichtet. Aufgrund dieser Verpflichtung sei hier von insgesamt 36 Zählobjekten auszugehen. Unabhängig davon bestünden weitere Indizien für eine gewerbliche Betätigung. Zum einen die zeitliche Nähe zwischen der Anschaffung des Grundstücks und der späteren Veräußerung. Zum anderen habe d...

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