Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsmöglichkeit eines Erbschaftsteuerbescheides nach Eintritt der Festsetzungsverjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein bestandskräftiger Erbschaftsteuerbescheid kann nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG geändert werden, wenn nachträglich eine wirtschaftliche Belastung eintritt.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 Nr. 2; BewG §§ 5-6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.07.2019; Aktenzeichen II R 36/16)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Änderungsmöglichkeit eines Erbschaftsteuerbescheides nach Eintritt der Festsetzungsverjährung.

Die Klägerin und ihre beiden Brüder sind die Erben des am 23.04.2007 verstorbenen A. Am 09.05.2007 fand die Testamentseröffnung statt und der Testamentsvollstrecker reichte im Anschluss daran die Erbschaftsteuererklärung bei dem beklagten Finanzamt ein.

Der Beklagte setzte die Erbschaftsteuer gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 06.03.2008 auf einen Betrag in Höhe von 77.066,00 € fest.

Mit Bescheid vom 16.07.2012 setzte das Finanzamt C gegen die Klägerin und ihre Brüder als Erben Einkommensteuer in Höhe von insgesamt 180.347,23 € fest, die bei der Berechnung der Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht worden ist.

Diese Einkommensteuerschuld resultierte aus einer Beteiligung des Erblassers an einer Kommanditgesellschaft (X KG), die einen sog. "Sanierungsgewinn" erzielte. Das für diesen Sanierungsgewinn zuständige Finanzamt E bejahte zunächst mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung der X KG vom 14.12.2009 und dann erneut mit Änderungsbescheid vom 01.03.2010 die Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 27.03.2003 (Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen; Steuerstundung und Steuererlass aus Billigkeitsgründen) und stellte einen steuerfreien Sanierungsgewinn fest. Auch der weitere Änderungsbescheid vom 02.08.2010 weist noch einen steuerfreien Sanierungsgewinn aus. Mit letztmaligem Änderungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung der X KG vom 28.07.2011 wich das Finanzamt E erstmalig von seiner ursprünglichen rechtlichen Bewertung ab, erklärte den Sanierungsgewinn als nicht steuerfrei und setzte diesen als außerordentliche Einkünfte fest. Das für die Einkommensteuer zuständige Finanzamt C änderte demzufolge den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 mit Datum vom 16.07.2012 und erfasste die außerordentlichen Einkünfte aus der Beteiligung an der X KG als Veräußerungsgewinn.

Mit den Schreiben vom 15.08.2012, 10.09.2012 und 19.11.2012 beantragten die Klägerin und ihre beiden Brüder, die mit Einkommensteuerbescheid vom 16.07.2012 festgesetzte Steuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Zur Begründung führten sie aus, dass die durch das Finanzamt C festgesetzte Einkommensteuer eine vom Erblasser herrührende Schuld sei und dementsprechend als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden müsse. Sie verwiesen insoweit auf eine neue Entscheidung des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 04.07.2012, Aktenzeichen II R 15/11, BStBl. II 2012, 790, in der dieser durch Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung klarstelle, dass die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig seien.

Der Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 22.11.2012 mit der Begründung zurück, dass eine Änderung der Erbschaftsteuerfestsetzung nicht mehr in Betracht käme, da die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2011 eingetreten sei. Zwar erkannte der Beklagte die grundsätzliche Abzugsfähigkeit von Steuerschulden aus dem Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit an, verneinte aber die Änderungsmöglichkeit des Bescheides mit der Begründung, dass eine einschlägige Korrekturvorschrift nicht gegeben sei.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.12.2012 form- und fristgerecht Einspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass der BFH seine Rechtsprechung nicht nur in Bezug auf die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der vom Erblasser herrührenden Einkommensteuerschulden aus dem Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten geändert habe, sondern auch eine Rechtsprechungsänderung hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- erfolgt sei. Danach sei in ihrem Fall ein rückwirkendes Ereignis gegeben.

Außerdem habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, sich gegen den Erbschaftsteuerbescheid in Bezug auf die erst sehr viel später festgesetzte Einkommensteuernachzahlung zu wehren. Die Nachzahlung resultiere aus einem Grundlagenbescheid aus einer Gesellschaftsbeteiligung an der "X KG". Eine Änderung der Einkommensteuerschuld aufgrund dieses Grundlagenbescheides sei zu keiner Zeit erkennbar gewesen.

Nach Auffassung der Klägerin könne die Argumentation des Beklagten bereits deshalb nicht richtig sein, da alle Erbschaft- und Schenkun...

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