Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflichtige Umsätze durch Gutachtertätigkeit zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit anderer Personen

 

Leitsatz (redaktionell)

Erstellt eine Krankenschwester im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung für Zwecke der Pflegebedürftigkeit der Versicherten Gutachten, ist die Tätigkeit weder nach § 4 Nr. 14 UStG noch nach § 4 Nr. 15a UStG steuerbefreit.

 

Normenkette

UStG § 4 Nrn. 14, 15a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.10.2008; Aktenzeichen V R 32/07)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin mit ihrer Gutachtertätigkeit zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit anderer Personen steuerfreie oder steuerpflichtige Umsätze erzielt. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin ist ausgebildete Krankenschwester mit einer Zusatzausbildung für medizinische Gutachtertätigkeit. Im Streitjahr erstellte die Klägerin im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) für Zwecke der Pflegeversicherung Gutachten zur Feststellung von Art und Umfang der Pflegebedürftigkeit von Versicherten. Bezüglich des Inhalts und des Umfangs der Gutachten wird zum einen auf das von der Klägerin eingereichte Inhaltsverzeichnis des von dem Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen herausgegebenen umfassenden Handbuches “Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches” verwiesen. Des weiteren wird auf die von dem Berichterstatter beim MDK eingeholten fünf exemplarischen Gutachten der Klägerin verwiesen.

Die Klägerin behandelte die Umsätze aus dieser Tätigkeit als steuerfrei nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG). Dem folgte das Finanzamt für das Streitjahr nicht, sondern behandelte diese Umsätze als steuerpflichtige Umsätze. Die Vorsteuer schätzte das Finanzamt auf Grundlage der Einnahme-Überschuss-Rechnung auf 110,90 Euro. Der Bescheid für das Streitjahr datiert vom 27. April 2005.

Den Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2005 mit folgender Begründung zurück:

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG seien die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit steuerfrei. Die Anwendung der Vorschrift auf die Umsätze von Unternehmen, die Heil- oder Heilhilfsberufe ausüben würden, hänge zwar nicht von einer berufsrechtlichen Regelung und deren Erfüllung ab. Die Vorschrift bezwecke die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer. Maßgebend sei, dass die Leistung des Unternehmens durch die heilberufliche Tätigkeit in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert werde. Voraussetzung für die Steuerbefreiung sei jedoch stets eine heilberufliche Tätigkeit. Andere Umsätze umfasse die Steuerbefreiung auch dann nicht, wenn diese durch die Sozialversicherungsträger finanziert werde.

Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 und § 4 Nr. 16 UStG, die auf der Grundlage von Art. 13 Teil A Abs. 1 b und c der 6. EG-Richtlinie ärztliche Heilbehandlungen und Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Umsatzsteuer befreien würden, seien im Sinne des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. September 2000 eng auszulegen. Dies gelte unabhängig davon, um welche konkrete ärztliche Leistung es sich handele, für wen sie erbracht werde und wer sie erbringe. Art. 13 Teil A Abs. 1 c der 6. EG-Richtlinie befreie nur Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Steuer. Dabei handele es sich um einen autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriff, der solche Maßnahmen umfasse, die zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und soweit möglich der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen einschließlich vorbeugender Untersuchungen vorgenommen würden. Andere ärztliche Leistungen kämen für eine Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 c der 6. EG-Richtlinie nicht in Betracht. Heilberufliche Leistungen seien daher nur steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehe.

Leistungen durch Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege durch Krankenschwestern und Krankenpfleger seien ähnliche heilberufliche Tätigkeiten im Sinne von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG. Für Leistungen durch Grundpflege (Körperpflege, Zubereitung und Aufnahme der Nahrung sowie An- und Auskleiden) und hauswirtschaftliche Versorgung (Einkaufen, Kochen und Wohnungsreinigung) gelte die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG hingegen nicht.

Ob eine Gutachtertätigkeit, deren Kosten von einem Träger der Sozialversicherung erstattet würden, als heilberufliche Tätigkeit qualifiziert werden könne, richte sich nach dem Gegenstand des Gutachtens. Es komme darauf an, ob es im unmittelbaren Zusammenhang mit einer heilberuflichen Behandlung stehe. Deshalb seien auch ärztliche Gutachten nicht schlechthin von der Umsatzsteuer befreit.

Bei Anwendung dieser Grundsätze handele es sich bei den L...

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