Leitsatz

1. Ein Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung, das an ein Presseunternehmen wegen Übermittlung von Personen- und Auftragsdaten zu ­Anzeigenauftraggebern einer bestimmten Anzeigenrubrik gerichtet ist, kann auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn relativ wenige Anzeigen von dem Auskunftsersuchen betroffen und die Anzeigen nicht bedeutsam für die öffentliche Meinungsbildung sind.

2. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, bedarf einer besonderen Begründung der Ermessensentscheidung.

3. Wird ein Auskunftsersuchen während des Klageverfahrens geändert, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des geänderten Bescheids abzustellen.

 

Normenkette

§ 93 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 30, § 85, § 92 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, §§ 101ff., § 102 Abs. 1 Nr. 4, § 119 Abs. 1, § 121 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Sätze 2, 3 AO, Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG, § 68 Satz 1, § 102 Satz 2 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin gab verschiedene Blätter heraus mit "Kontakten" im Anzeigenteil. Mit Bescheid vom Oktober 2011 bat die Steuerfahndung (Finanzamt) um die Übersendung der Daten aller Anzeigenauftraggeber aus 2011 und bis Ende 2012; dies alles, soweit die Anzeigen aus dem Rotlichtmilieu stammten. Rechnungshöfe – so das Finanzamt – hätten Vollzugsdefizite bei der Besteuerung des Rotlichtmilieus festgestellt. Nach erfolglosem Einspruch stellte das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung allerdings klar, dass sich das Ersuchen lediglich auf "Kontakte" bezog. Vor dem Finanzgericht in 2013 schränkte das Finanzamt das Auskunftsersuchen dahin ­gehend ein, dass keine Auskunft verlangt werde soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergebe. Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.8.2013, 8 K 78/12, Haufe-Index 6420252, EFG 2014, 99); der Bundesfinanzhof hat dieses Ergebnis bestätigt.

 

Entscheidung

Das Auskunftsersuchen des Finanzamts war rechtmäßig.

  • Gegenstand des Verfahrens

Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof war der vom Finanzamt mündlich erlassene Änderungsbescheid von 2013; die Ersetzung des ursprünglich angegriffenen Verwaltungsakts greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid – wie das Auskunftsverlangen – eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. Wichtig ist die Erkenntnis, dass damit das Auskunftsersuchen, das inhaltlich bereits 2012 geendet hatte, keine Wirkung für die Zukunft mehr zeigte.

  • Umfang der Rechtmäßigkeitsprüfung

Auskünfte anderer Personen einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten nur eingeschränkt auf Fehler überprüfbar ist. Die Prüfung der Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsverlangen gehört jedenfalls zum Bereich der Ermessensüberschreitung.

  • Ermächtigungsgrundlage

Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Zum Aufgabenbereich der Steuerfahndung gehört nicht nur die Strafverfolgung, sondern nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO auch die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle.

  • Hinreichender Anlass für das Sammelauskunftsersuchen

Sammelauskunftsersuchen, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll, sind grundsätzlich zulässig. Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht. Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung setzen einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. So liegt es im Streitfall aufgrund der Erkenntnis der Rechnungshöfe. Das Finanzamt ermittelte nicht "ins Blaue hinein".

  • Allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung

Das Sammelauskunftsersuchen war dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar: Wenn keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig.

  • Besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung: Verstoß gegen die Pressefreiheit

Die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen dürfen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen. Im Streitfall verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die Pressefreiheit, Art. 5 GG. Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst zwar grundsätzlich auch den Anzeigenteil. Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich ­jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" gezogenen Schranken. Die Abgabenordnung, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den reda...

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