Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Rückstellung für die Betreuung von Versicherungsverträgen nach Erhalt der Abschlussprovision bei fehlender Konkretisierung der Nachbetreuungspflicht und teilweiser Abgeltung der Betreuung durch zusätzliche Provisionsansprüche

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erhält der Versicherungsvertreter vom Versicherungsunternehmen die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Lebensversicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags, so hat er für die Verpflichtung zu künftiger Vertragsbetreuung eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden.

2. Soweit der Versicherungsvertreter außer den Abschlussprovisionen gesonderte und laufende Provisionen für die Pflege des Bestandes an Versicherungsverträgen erhält, ist er im Hinblick auf die Nachbetreuung nicht zur Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes berechtigt.

3. Die im Agenturvertrag mit dem Versicherer ansonsten nicht näher präzisierte, bei Nichtbeachtung auch nicht mit Sanktionen verknüpfte Pflicht, „sich für die Betreuung und Erhaltung des Bestandes einzusetzen”, stellt keinen Teil der Gegenleistung für die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche auf Abschlussprovision dar, sondern eine nicht zur Rückstellungsbildung berechtigende Obliegenheit des Versicherungsvertreters im eigenen Interesse, wenn es an einer darüber hinausgehenden ausreichenden, für eine Rückstellungsbildung erforderlichen Verpflichtung des Vertreters gegenüber einem Dritten fehlt und ein entsprechender Rechtsbindungswille nach den gesamten Umständes des Einzelfalls nicht feststellbar ist.

4. Mehrere Jahre nach dem Streitjahr im Rahmen eines anderen, mit dem klagenden Versicherungsunternehmen nicht vergleichbaren Versicherungsunternehmen geführte, zudem oft unklare Aufzeichnungen zum Nachbetreuungsaufwand in diesem späteren Jahr sind zum Nachweis der Voraussetzungen für die Rückstellungsbildung im Streitjahr nicht geeignet.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.01.2015; Aktenzeichen IV R 62/11)

BFH (Urteil vom 22.01.2015; Aktenzeichen IV R 62/11)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin vermittelt im Rahmen ihrer Tätigkeit u. a. Lebensversicherungsverträge. Sie begehrt im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung 2004 und des Gewerbesteuermessbetrages 2004 die Berücksichtigung einer Rückstellung in Höhe von 175.000 EUR für die Betreuung der abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge.

Die Klägerin – eine im Streitjahr aus den Gesellschaftern S. und H. bestehende GbR – betreibt als Bezirkstellenleiterin eine Versicherungsagentur der S.versicherung. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG. Nach dem „Vertreter – Vertrag” vom 17.03.1994 (dort Ziffer 3) mit der S. versicherung bestand die Aufgabe der Klägerin insbesondere in der Vermittlung neuer Versicherungen. Daneben sollte die Klägerin sich auch „für die Betreuung und Erhaltung des Bestandes einsetzen”. Zur „Abgeltung aller Tätigkeiten (Ziffer 3)” erhielt die Klägerin „Provisionen nach den jeweils gültigen Provisionsbestimmungen”. Auf den „Vertreter – Vertrag” vom 17.03.1994 (Blatt 13 ff. der Gerichtsakte), die „Allgemeinen Provisionsbestimmungen für die Vermittlung von Lebens-, Schaden- und Krankenversicherungen” (gültig ab 01.01.2004, Blatt 60 ff. der Gerichtsakte), die Provisionstabelle (Blatt 65 der Gerichtsakte) und die „Vergütungsregelung für Produkte der Vertriebsoffensive Lebensversicherung …” (Blatt 69 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Am 11.04.2006 reichte die Klägerin ihre Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung und ihre Gewerbesteuererklärung für den Besteuerungszeitraum 2004 ein und machte im Jahresabschluss zum 31.12.2004 eine Rückstellung für die „Bestandsbetreuung LV-Verträge” in Höhe von 175.000 EUR gewinnmindernd geltend (Bilanzakte, Trennblatt 2004, Blatt 8). Mit Schreiben vom 23.05.2006 (Feststellungsakte, Trennblatt 2004, Blatt 5) kündigte der Beklagte gegenüber der Klägerinvertreterin an, dass beabsichtigt sei, diese Rückstellung nicht anzuerkennen. Mit den Bescheiden vom 13.07.2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2004 und den Gewerbesteuermessbetrag 2004 (Rechtsbehelfsakte, Trennblatt „Ausdruck …Bescheide”, Blatt 1 ff.) blieb die vorgenannte Rückstellung unberücksichtigt. Hiergegen legte die Klägerinvertreterin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren führte die Klägerinvertreterin im Schreiben vom 08.08.2006 (Blatt 25 f. der Rechtsbehelfsakte) aus, dass per 31.12.2004 insgesamt 7.000 Lebensversicherungsverträge von den vier Vollzeitkräften der Klägerin betreut worden seien und dass sich bei einer notwendigen Betreuungszeit von 2 Stunden je Vertrag und einem Kostenansatz von 12,44 EUR/Stunde insgesamt ein Betreuung...

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