rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kontenpfändung bei unterlassener Beantragung des gesetzlichen Pfändungsschutzes nicht „unbillig” i. S. d. § 258 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine von der Finanzbehörde aufgrund einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung vorgenommene Pfändung des Girokontos der Steuerpflichtigen, die selbstständig einen Dienstleistungsbetrieb (hier: Wasch- und Bügelservice) unterhält, ist auch dann nicht unbillig i. S. d. § 258 AO, wenn die Steuerpflichtige zwar geltend macht, ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten zu können, bei der Bank jedoch von der Möglichkeit, ihr Girokonto als Pfändungsschutzkonto führen zu lassen, oder von ggf. sonst in Betracht kommenden Möglichkeiten des gesetzlichen Pfändungsschutzes (z. B. Beschränkung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nach § 319 AO i. V. m. § 850 Abs. 1 und Abs. 2 letzte Alternative, § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO oder nach § 319 AO i.V.m. § 850i Abs. 1 ZPO) keinen Gebrauch gemacht hat.

 

Normenkette

AO §§ 258, 309, 319; ZPO § 850k Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 5 S. 1, Abs. 7 Sätze 2-3, § 850c Abs. 1 S. 1, § 850 Abs. 1-2, § 850i Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung einer Kontopfändung.

Die Klägerin ist geschieden und hat keine unterhaltsbedürftigen Kinder. Sie betreibt selbständig einen Wasch- und Bügelservice.

Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 08.12.2015 pfändete der Beklagte wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis in Höhe von 23.897,93 EUR das bei der Bank AG geführte Girokonto der Klägerin. Bereits zuvor mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28.07.2015 hatte der Beklagte bei einer Auftraggeberin, der E. GmbH, gegenwärtige und zukünftige Forderungen wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, damals in Höhe von 27.651,57 EUR, gepfändet.

Am 11.12.2015 wandte sich die Klägerin gegen die Kontopfändung. Sie müsse nach Abzug der Nebenkosten mit 1.000 EUR monatlich auskommen, wovon 400 EUR an die Behörde gingen.

Mit Bescheid vom 14.12.2015 lehnte der Beklagte eine Aufhebung der Kontopfändung ab. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 08.12.2015 sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 258 Abgabenordnung –AO– lägen nicht vor. Dem Bescheid war keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt.

Aufgrund von Zahlungen der E. GmbH schränkte der Beklagte die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Bank AG am 15.12.2015 auf 21.355,77 EUR ein.

Am 07.01.2016 wandte sich die Klägerin erneut gegen die Kontopfändung. Ihr Energieanbieter habe bereits das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet. Es sei nicht schön, wenn man sich Geld für Essen borgen müsse.

Aufgrund einer weiteren Zahlung der E. GmbH schränkte der Beklagte die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Bank AG am 13.01.2016 auf 15.945,28 EUR ein. Ebenfalls am 13.01.2016 schränkte der Beklagte gegenüber der Bank AG die Pfändungs- und Einziehungsverfügung dahingehend rangwahrend ein, dass die Drittschuldnerin ermächtigt werde, fällige und zukünftig fällig werdende Beträge in voller Höhe unmittelbar an die Klägerin oder in deren Auftrag an Dritte zu zahlen. Diese Einschränkung werde nicht wirksam, wenn eine andere Person bereits Ansprüche an den gepfändeten Forderungen erhoben habe. Die gelte als widerrufen, sobald Rechte Dritter an den Forderungen geltend gemacht würden, insbesondere weitere Pfändungen erfolgten. Am 19.01.2016 teilte die Bank AG dem Beklagten mit, dass Ruhenderklärungen bezüglich Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nur ohne Bedingungen bzw. dann, wenn sie lediglich von einer Einmalzahlung abhängig seien, akzeptiert werden könnten.

Am 27.01.2016 hat die Klägerin Klage erhoben.

Das Finanzamt erhalte bereits von der E. GmbH rund 2.300 EUR monatlich. Es sei deshalb unbillig, dass nun auch noch ihr Konto gesperrt worden sei. Sie habe nicht einmal die gesetzlichen Lebenserhaltungskosten zur Verfügung. Auch müsse sie als Allergikerin ihre Medikamente aus eigener Tasche zahlen, da sie nicht krankenversichert sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beklagten zu verpflichten, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Bank vom 08.12.2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage mangels Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens für unzulässig. Im Übrigen lägen die Vollstreckungsvoraussetzungen vor.

Im Laufe des Klageverfahrens ist die klagegegenständliche Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufgrund von Zahlungen der Bank AG und der E. GmbH am 10.02.2016 auf 10.185,31 EUR eingeschränkt worden. Die Klägerin hat am 13.03.2016 mitgeteilt, dass sie den auf den 17.03.2016 bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen könnte. Am 16.03.2016 hat der Beklagte gleichfalls sein Ausbleiben im Termin zur mündlichen Verhandlung telefonisch entschuldigt und mitgeteilt, dass die Rückstände der Klägerin aufgrund weiterer Zahlungseingänge mittlerweile weniger als 4.000 EUR betrügen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist u...

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