Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit von Familienleistungsausgleich und Ausbildungsfreibetrag bei auswärtig untergebrachten volljährigen Kindern im Veranlagungszeitraum 2003

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit dem in § 32 Abs. 6 EStG für das sächliche Existenzminimum vorgesehenen Kinderfreibetrag und dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf hat der Gesetzgeber keine unzulässige Typisierung vorgenommen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass im Wege der sog. „Günstigerprüfung” die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld bewirkt wird.

2. Die Vorschrift des § 33a Abs. 2 EStG lässt sich hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Ausbildungsfreibetrags für auswärtig untergebrachte volljährige Kinder für Veranlagungszeiträume ab 2002 nicht isoliert würdigen. Eine Gesamtbetrachtung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs ergibt, dass sich der Freibetrag der Höhe nach noch innerhalb der zulässigen Typisierung bewegt.

 

Normenkette

EStG 2002 § 32 Abs. 6, §§ 31, 33a Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.11.2010; Aktenzeichen III R 111/07)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreites.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Mehrbedarf der auswärtig untergebrachten Tochter J bei der Einkommensteuerfestsetzung 2003 gegenüber den zusammenveranlagten Klägern ngemessen berücksichtigt wurde. Streitig ist hierbei, ob die Günstigerprüfung nach § 31 EStG zu zutreffenden Ergebnissen führt und ob der Sonderbedarf nach § 33 a Abs. 2 EStG vom Gesetzgeber ausreichend bemessen wurde.

Die Kläger (Kl.) sind die Eltern der am 06.01.1981 und am 10.06.1990 geborenen Kinder J. und D.. Das Kind J absolvierte im Streitjahr ein Studium an der Universität J und ist auswärtig untergebracht. Das Kind D wohnte im Streitjahr zuhause.

Mit dem teilweise vorläufigen Bescheid vom 17.05.2004 setzte der Beklagte (Bekl.) die Einkommensteuer für 2003 in Höhe von 10.015 EUR fest. Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes J wurde im Streitjahr durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt. Außerdem berücksichtigte das Finanzamt Ausbildungskosten nach § 33 a Abs. 2 EStG in Höhe von 924 EUR. Eine Kürzung unterblieb insoweit, da keine Leistungen aus öffentlichen Mitteln (z. B. nach dem BAföG) bezogen wurden. Die Tochter J hatte im Streitjahr keine Einkünfte und Bezüge. Ein Kinderfreibetrag und ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nach § 32 Abs. 6 EStG wurden aufgrund der sog. Günstigerprüfung nach § 31 EStG nicht berücksichtigt. Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes D wurde im Streitjahr ebenfalls durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17.05.2004 legten die Kl. Einspruch ein. Durch den Wegfall des Ausbildungsfreibetrages nach § 33 a Abs. 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2002 seien sie – auch unter Berücksichtigung des höheren Kindergeldes / Kinderfreibetrages – gegenüber dem Vorjahr benachteiligt. Mit der Entscheidung vom 07.12.2004 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kl. sind im Hinblick auf die frühere Regelung in § 33 a Abs. 2 Nr. 2 EStG a. F. der Auffassung, dass die Einkommensteuerfestsetzung 2003 rechtswidrig sei, soweit der ausbildungsbedingte Aufwand der Kl. nicht durch Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages für die Tochter J in Höhe von 2.148 EUR ausgeglichen worden sei. Die §§ 31, 32 Abs. 6, 33 a Abs. 2 EStG i. d. F. des 2. Gesetzes zur Familienförderung vom 16.08.2001 verletzten die Grundrechte der Kl. aus Art. 1 i. V. m. Art. 20, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Sie seien damit verfassungswidrig. In ihrer für das Streitjahr geltenden Fassung führten sie bei den Kl. zu einer durch den Beschluss des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichtes vom 10.11.1998 (BVerfGE 99, 216 ff.) nicht gebotenen steuerlichen Benachteiligung. Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2001 sei in § 33 a Abs. 2 EStG a. F. ein Ausbildungsfreibetrag für den Ausbildungsbedarf von Kindern geregelt gewesen. Danach hätten die Kl. für ihr auswärtig untergebrachtes studierendes Kind J auf Antrag einen Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 2.148 EUR vom Gesamtbetrag ihrer Einkünfte abziehen können. Im Vergleich zu der vom Bekl. festgesetzten Einkommensteuer 2003 wäre die Einkommensteuer bei Berücksichtigung des früheren Ausbildungsfreibetrages um 390 EUR niedriger gewesen. Aufgrund der Erhöhung des Kindergeldes für die Tochter um mtl. 15,95 EUR sei von diesem Differenzbetrag noch ein Jahresbetrag von 191,40 EUR in Abzug zu bringen. Daraus folge eine steuerliche Schlechterstellung der Kläger in Höhe von 198,60 EUR.

Mit Beschluss vom 10.11.1998 habe das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, die ausreichende Bedarfssic...

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