rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbstständig ausgeübte Tätigkeit einer Prostituierten nicht gewerbesteuerpflichtig

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz) vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3983) bleibt es dabei, dass die selbstständig ausgeübte Tätigkeit als Prostituierte keine gewerbliche und damit gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 und 2 GewStG i. V. m. § 15 EStG darstellt, sondern zu sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG führt (hier: Streitjahr 2006).

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2; EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 22 Nr. 3; Prostitutionsgesetz § 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.06.2013; Aktenzeichen III R 30/10)

BFH (Urteil vom 13.06.2013; Aktenzeichen III R 30/10)

BFH (Beschluss vom 15.03.2012; Aktenzeichen III R 30/10)

 

Tenor

1. Der Gewerbesteuermessbescheid 2006 vom 13. September 2007 wird aufgehoben.

2. Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG erzielt.

Die Klägerin arbeitete ab dem Streitjahr 2006 als Prostituierte. Sie bietet in eigener Person Dritten die Ausübung von Geschlechtsverkehr gegen Entgelt in einer hierfür angemieteten Privatwohnung an. Aus dieser Tätigkeit erzielte die Klägerin im Streitjahr Einkünfte in Höhe von 38.115 EUR, die sie als sonstige Einkünfte beim Beklagten (dem Finanzamt) angab.

Gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2006 vom 13. September 2007, mit dem der Messbetrag auf 152 EUR festgesetzt worden ist, hat die steuerlich vertretene Klägerin zulässig Sprungklage erhoben.

Sie macht im Wesentlichen geltend, dass es bei der hier vorliegenden sog. eigenen Prostitution an einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr fehle.

An dieser Wertung, die sich auch in der einschlägigen BFH-Rechtsprechung findet (vgl. BFH-Urteile vom 23. Juni 1964) habe sich weder durch das BFH-Urteil vom 23. Februar 2000 X R 142/95 noch durch das sog. Prostituiertengesetz etwas geändert. Das genannte BFH-Urteil sei zu einem Fall der sog. Fremdprostitution ergangen. Das genannte Gesetz habe nichts daran ändern können, dass Prostituierte nach wie vor ein Schattendasein führen würden. Prostituierte würden nach wie vor in weiten Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen. Auch sei es Prostituierten nur in engen gesetzlichen Grenzen gestattet, ihrer Tätigkeit nachzugehen; auf die sog. Sperrbezirksverordnungen werde verwiesen. Schließlich würden auch die Kunden keine offizielle Verbindung wünschen, was ein gleichberechtigtes Auftreten im Wirtschaftsleben ausschließe. Es komme nicht auf gesetzgeberische Absichten, sondern auf die tatsächlichen Gegebenheiten an.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2006 vom 13. September 2007 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Auf Grund der Änderung der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 23.02.2000, BStBl II 2000, 610) und dem Wandel der gesellschaftlichen Auffassung zur Prostitution (Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001) gehe das Finanzamt davon aus, dass Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG nicht mehr vorliegen würden. Eine Unterscheidung zwischen eigener und Fremdprostitution sei nicht mehr vorzunehmen.

Auf gerichtlichen Hinweis führt das Finanzamt aus, dass es zwar zutreffe, dass der BFH in dem Urteil vom 23.02.2000 nicht darüber entscheiden musste, ob die eigene Prostitution eine gewerbliche Leistung darstelle. Er habe allerdings in den Gründen bemerkt, dass die bisherige Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 23. Juni 1964, BStBl III 1964, 500 und vom 17. April 1970, BStBl II 1970, 620) im Hinblick auf veränderte gesellschaftliche Anschauungen zur Sexualität möglicherweise überholt sei. Die Finanzverwaltung vertrete bundeseinheitlich die Auffassung, dass sich die gesellschaftliche Anschauung zur Prostitution geändert habe. Dies zeige sich auch in dem Prostitutionsgesetz, mit dem der Gesetzgeber die Sittenwidrigkeit des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt beseitigt habe. Die Geltendmachung von Forderungen für solche Betätigungen sei mit dem Gesetz als rechtswirksam anerkannt worden. Daraus ergebe sich eine neue steuerliche Beurteilung. Sofern die Prostituierten nicht Arbeitnehmer seien, erzielten sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Für die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr genüge es, dass die Prostituierte ihre Dienste durch ihre Anwesenheit an bestimmten, dem Kundenkreis bekannten Orten oder durch Anzeigen in Printmedien oder im Internet anbiete und dass eine gewisse Zahl von Personen bereit sei, für diese Dienste ein Entgelt zu zahlen. Es sei deshalb nicht entscheidend, dass gegenüb...

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