Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlich keine Befugnis der Verwaltung zur Steuerfreifreistellung von Sanierungsgewinnen nach dem BMF-Schreiben v. 27.3.2003

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Billigkeitsmaßnahme nach den Vorschriften der §§ 163, 227 AO allein wegen des Umstandes eines Sanierungsgewinns kommt nach der Streichung von § 3 Nr. 66 EStG in der bis zum 31.12.1997 gültigen Fassung des EStG im Regelfall nicht mehr in Betracht.

2. Dass seit Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. nach Auffassung der Verwaltung im BMF-Schreiben v. 27.3.2003 (IV A 6-S 2140-8/03, BStBl I 2003, 240) Sanierungsgewinne nach § 163 AO abweichend festgesetzt bzw. letztlich nach § 227 AO erlassen werden können, tangiert zwar nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, eine allgemeine Regelung über den Erlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Ertragsteuern entspricht aber seit der Abschaffung von § 3 Nr. 66 EStG (a. F.) nicht mehr dem gesetzgeberischen Willen. Das Erlassverfahren gibt der Verwaltung nicht die Befugnis, anstelle einer vom Gesetzgeber bewusst unterlassenen sozial- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme gesetzlich geschuldete Steuern nicht zu erheben.

 

Normenkette

AO §§ 163, 227; GG Art. 3 Abs. 1; EStG 1990 § 3 Nr. 66

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger aus Billigkeitsgründen einen Anspruch auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer hat mit der Folge, dass ein – durch den Forderungsverzicht eines seiner Gläubiger – erzielter Ertrag steuerfrei bleibt.

Der Beklagte veranlagte den Kläger für das Streitjahr 2007 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer.

Der Kläger betrieb bis Ende 2007 das Einzelunternehmen … Medizintechnik in P. und erzielte hieraus gewerbliche Einkünfte. Gegenstand des bereits 1990 gegründeten Unternehmens des Klägers war im Streitjahr die Versorgung medizinischer Einrichtungen mit Medizintechnik, Verbrauchsmaterialien sowie dem dazugehörigen Lieferungsservice und Wartungsarbeiten.

Bis Ende der 1990er Jahre konnte der Kläger aufgrund der regelmäßigen und umfangreichen Aufträge der öffentlichen Hand (z.B. Krankenhäuser) seine Umsätze stetig steigern. Im Zuge der, mit der Gesundheitsreform einhergehenden Sparmaßnahmen gingen die Einnahmen des Klägers in seinem Einzelunternehmen merklich zurück; im Zeitraum von 1998 bis 2005 haben sich die Umsätze des Klägers – ausweislich der Ausführungen in dem Sanierungskonzept vom 15. Oktober 2005 der Unternehmensberatung H. W. – halbiert. Mit Schreiben vom 3. November 2005 kündigte die Bankaktiengesellschaft H. (kurz: B.), die Hauptgläubigerin des Klägers, das gesamte Kreditengagement und stellte eine Darlehensrückforderung in Höhe von insgesamt EUR 313.746,80 (zzgl. Zinsen) zum 3. Dezember 2011 fällig. Durch Bestrebungen des Klägers und seines Unternehmensberaters sowie in Zusammenarbeit mit der IHK D. konnte ein Teil der Verbindlichkeiten gegenüber der B. (EUR 184.065,08) Mitte 2006 in ein Kapitalhilfedarlehen bei der K. (kurz: K.) umgewandelt bzw. umgeschuldet und damit die Insolvenz des Klägers abgewendet werden. Nach weiteren Verhandlungen mit der IHK D. und der K. konnte der Kläger im April 2007 einen Vergleich mit der K. dahingehend erreichen, dass ihm gegen eine Ausgleichszahlung von EUR 82.000 der Rest des Kapitalhilfedarlehens bei der K in Höhe von EUR 94.065,08, erlassen wird. Der Kläger hat am 13. April 2007 die Vergleichszahlung geleistet, woraufhin die K. den Kläger aus der Haftung des Kapitalhilfedarlehens entließ.

Mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 7. Dezember 2007 veräußerte der Kläger zum 1. Januar 2008 – bis auf das Betriebsgrundstück – die wesentlichen Vermögensgegenstände seines Unternehmens sowie die Markenrechte an die Medizintechnik GmbH, die seitdem den medizinischen Fachhandel samt Belegschaft unter dem Namen M weiterführt. Der Kläger ist seit dem 1. Januar 2008 laut Gewerbeummeldung vom 8. Januar 2008 als Unternehmensberater und im Bereich der Vermietung von Gewerbeimmobilien selbständig tätig.

Am 6. März 2009 reichten der Kläger und seine Ehefrau die Einkommensteuererklärung 2007 ein. In der Gewinn- und Verlustrechnung zum Einzelunternehmen des Klägers war ein außerordentlicher Ertrag in Höhe von EUR 94.065,08 ausgewiesen. In einem, der Steuererklärung beigefügten Schreiben vom 5. März 2009 beantragte der Kläger unter Berufung auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27. März 2003, die auf diesen Sanierungsgewinn (EUR 94.065,08) entfallende Einkommensteuer 2007 abweichend nach § 163 AO festzusetzen, zu stunden bzw. zu erlassen.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2009 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung in Höhe von EUR 65.586 fest, wobei er auch den außerordentlichen Ertrag in Höhe von EUR 94.065,08 der Einkommensteuer unterwarf.

Den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. August 2011 mit der Begründun...

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