Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kostenerstattungsanspruch für Einspruchsverfahren gegen Kindergeldaufhebungs- bzw. -rückforderungsbescheid bei Verzicht auf Kindergeldrückzahlung wegen Vorlage einer Weiterleitungsbestätigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat ein Elternteil wegen des Auszugs des Kindes und der Haushaltsaufnahme beim anderen Elternteil seine vorrangige Kindergeldanspruchsberechtigung verloren und hat die Familienkasse deswegen die Kindergeldfestsetzung aufgehoben sowie das nach dem Auszug des Kindes gezahlte Kindergeld zurückgefordert, so hat der Elternteil keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 77 EStG hinsichtlich des mit der Durchführung des Einspruchsverfahrens gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid beauftragten Rechtsanwalts, wenn erst während des Einspruchsverfahrens die Weiterleitungsbestätigung des anderen Elternteils (i.S. von Tz. 64. 4 Abs. 4 der Dienstanweisung des Bundesamts für Finanzen vom 5.8.2004 – St I 4-S 2280-75/2004 – zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes – DA-FamEStG) vorgelegt worden ist und die Familienkasse nunmehr billigkeitshalber auf die tatsächliche Rückzahlung des Kindergelds verzichtet hat.

 

Normenkette

EStG § 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3, § 64 Abs. 1, 2 S. 1, § 70 Abs. 2; AO § 37 Abs. 2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung im Rechtsbehelfsverfahren wegen Kindergeld, § 77 Einkommensteuergesetz (EStG).

Im Laufe des Monats März 2004 zog das Kind F, geb. 24.5.1988, aus der Wohnung der Klägerin aus und wurde in den Haushalt des Vaters aufgenommen. Die Familienkasse kündigte die Aufhebung und Rückforderung des an die Klägerin zunächst weiterbezahlten Kindergeldes an und eröffnete die Möglichkeit, die Weiterleitung des Kindergeldes an den Kindesvater Herrn H mit Hilfe des beigefügten Vordruckes nachzuweisen. Da der Vater sich weigerte, das Weiterleitungsformular auszufüllen, hob die Familienkasse mit Bescheid vom 11.5.2005 die Kindergeldfestsetzung für F ab Juni 2004 auf und forderte das für den Zeitraum von Juni 2004 bis Februar 2005 gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.386 EUR zurück. Die Klägerin ließ durch ihre Rechtsanwältin – die Klägervertreterin – Einspruch einlegen, da sie sich mit dem Kindesvater über die Kindergeldzahlungen geeinigt habe. Daraufhin zog die Familienkasse Herrn H zum Einspruchsverfahren hinzu. Am 13.12.2005 übersandte dieser die Bestätigung, dass die Klägerin das Kindergeld an ihn weitergeleitet habe und er seinen Kindergeldanspruch als erfüllt ansehe. Mit Bescheid vom 3.4.2006 änderte die Familienkasse den Bescheid vom 11.5.2005 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a Abgabenordnung (AO) und teilte mit, das Kindergeld für F sei zu Recht gezahlt; der zurückgeforderte Betrag sei nicht zu erstatten; dem Einspruch werde in vollem Umfang entsprochen; die im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten würden nicht übernommen, weil sie nicht notwendig gewesen seien. Mit dem dagegen eingelegten Einspruch vom 8.5.2006 begehrte die Klägerin von der Familienkasse, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung ihrer Rechte für notwendig zu erklären und die im Vorverfahren angefallenen Kosten zu erstatten. Mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.2006 wies die Familienkasse den Einspruch zurück und übernahm nicht die im Rechtsbehelfsverfahren entstandenen Aufwendungen.

Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sei zur Durchsetzung der Rechte der Klägerin notwendig gewesen, weil die Erklärungsbemühungen der Klägerin im Einspruchsverfahren erfolglos geblieben seien und aus ihrer Sicht es sich um eine schwierige Rechtsfrage gehandelt habe.

Eine Zuziehung im Sinne des § 77 Abs. 3 EStG liege schon dann vor, wenn im Rahmen eines auf eine Geschäftsbesorgung gerichteten Dienstvertrages ein Rechtsanwalt bevollmächtigt werde und ein entsprechender Gebührenanspruch entstanden sei. Die Familienkasse habe mit dem Abhilfebescheid vom 3.4.2006 dem Einspruch „in vollem Umfange” entsprochen. Der Klägerin könne mangels Sorgfaltspflichtverletzung kein Verschulden vorgeworfen werden. Sie habe mehrfach versucht, gegenüber der Familienkasse darzulegen, dass sie mit dem Kindesvater eine einvernehmliche Regelung über den Bezug des Kindergeldes getroffen habe. Der Kindesvater sei vor Erlass des Aufhebungsbescheides vom 11.5.2005 nicht zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung bereit gewesen. Er habe der Beklagten gegenüber fehlerhaft angegeben, dass keine Weiterleitung des Kindergeldes erfolgt sei. Der Familienkasse hätte es oblegen, dem von der Klägerin zunächst ohne anwaltlichen Beistand erhobenen Einwand, dass eine Weiterleitung erfolgt sei, nachzugehen und den Kindesvater zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung aufzufordern. Damit wäre eine Aufklärung des Sachverhalts möglich gewesen, der Erlass des Bescheides vom 11.5.2005 hätte sich erübrigt und eine anwaltliche Vertretung wär...

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