Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständigkeit oder Arbeitnehmereigenschaft der von einem Lieferanten von Warenhäusern mit einfachen Tätigkeiten beauftragten „Servicekräfte”

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beliefert ein Reinigungsmittelproduzent u.a. Warenhäuser und hat er auf Wunsch der Kunden sog. „Servicekräfte” damit beauftragt, Serviceleistungen vor Ort (Annahme, Preisauszeichnung und Einsortieren der Ware in Regale sowie Säubern und Wiederauffüllen der Regale) zu erbringen, so spricht es nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse für die Arbeitnehmer- und gegen die Unternehmereigenschaft der Servicekräfte, dass sie u.a.

  • einfache, keine besonderen persönlichen Fähigkeiten voraussetzende Tätigkeiten ausüben, bei denen der Tätige kaum eine eigene Initiative entfalten kann, so dass er deshalb nicht besonders auf Weisungen des Auftraggebers angewiesen ist,
  • kein eigenes Unternehmerrisiko tragen, weil die Verdienstmöglichkeiten durch den Vertrag mit dem Produzenten begrenzt sind und auch kein eigener Kapitaleinsatz erforderlich ist,
  • sie nur ihre Arbeitskraft und keinen Arbeitserfolg schulden, und
  • nur ein enger zeitlicher Spielraum für die Erledigung der Aufgaben besteht.

2. Dass der Produzent als Arbeitgeber die Servicekräfte nicht selbst überwacht, sondern sich hierzu der Warenhäuser bedient, begründet ebenso wenig eine Selbständigkeit der Servicekräfte wie der Umstand, dass die Servicekräfte in den Verträgen als „selbständige Unternehmer” bezeichnet werden.

 

Normenkette

LStDV § 1 Abs. 2-3; EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, §§ 40, 40a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.11.2008; Aktenzeichen VI R 4/06)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Arbeitnehmereigenschaft von Servicekräften.

Die Klägerin produziert Reinigungsmittel im Wesentlichen für den Endverbraucher, die auch über Warenhäuser vertrieben werden. Mit der Regalpflege (Wareannahme, Regalauffüllung, Regalpflege u.a.) werden auf Forderung der Warenhäuser Servicekräfte betraut, die mit der Klägerin eine vertragliche Vereinbarung getroffen haben. Danach soll der Auftragnehmer als selbstständiger Unternehmer Serviceleistungen vor Ort durch die Warenannahme und das sofortige Auszeichnen der Produkte der Klägerin sowie deren fachgerechte Präsentation in Verbindung mit einer verantwortungsvollen Regalpflege (Säubern und Auffüllen der Ausstellungsregale) erbringen. Für die genannten Arbeiten wurde eine Vergütung von 9,00 DM pro Stunde, bei einem Maximalsatz von 1 Stunde bis 3,5 Stunden pro Kalenderwoche vereinbart. Der Auftragnehmer soll als Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Die Abrechnung erfolgt zum Monatsende derart, dass der Leiter des Warenhauses gegenüber der Servicekraft die Stunden bestätigt und die Servicekraft über den jeweiligen Gebietsverkaufsleiter der Klägerin abrechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 22 der Akte im Verfahren 2 K 2709/03 und Seiten 60 bis 63 im Verfahren 2 V 2827/03 verwiesen.

Auf Grund der Feststellungen im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung wurden mit Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 9. Januar 2001, zuletzt geändert mit Bescheid vom 17. Oktober 2003, die an die Servicekräfte gezahlten Beträge der Besteuerung unterworfen. Der Beklagte sieht in den Servicekräften Arbeitnehmer der Klägerin, für die die Klägerin Lohnsteuern anzumelden und abzuführen hat.

Der Einspruch gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2003), blieb ebenso erfolglos wie das gerichtliche AdV-Verfahren (2 V 2827/03 Beschluss vom 24. Februar 2004).

Die Klägerin ist in ihrer Klage der Auffassung, die Servicekräfte seien Selbstständige. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalles handele es sich bei ihnen nicht um Arbeitnehmer. Es fehle die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit von der Klägerin. Die Servicekräfte seien auch im Auftrag anderer Unternehmen tätig und seien zudem nicht in die Klägerin organisatorisch integriert. Da die Servicekräfte in einer nach oben begrenzten Stundenzahl pro Kalenderwoche Leistungen für die Klägerin erbringen würden, verbleibe ihnen ein ausreichender Zeitraum für andere Tätigkeiten, wodurch es an einer Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit fehle. Es sei weder eine feste Arbeitszeit vereinbart noch bestünden Ansprüche auf Urlaub, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Überstundenvergütung oder auf sonstige Sozialleistungen. Den zeitlichen Umfang der Dienstleistungen bestimmten die Servicekräfte selbst. Schließlich seien nach der A-Krankenkasse C. sowie der B-Krankenkasse S.-A. die im Auftrag der Klägerin tätigen Servicekräfte nicht als Arbeitsnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinn anzusehen, wie es sich aus den entsprechenden Schreiben (Anlage K 8 und K 9) ergäbe.

Die Klägerin beantragt,

den Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 9. Januar 2001, zuletzt geändert mit Bescheid vom 17. Oktober...

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