1 Grundlagen

1.1 Begriff

 

Rz. 1

Rückstellungen sind künftige Ausgaben, die abgelaufene Wirtschaftsjahre betreffen, aber der Höhe nach – ausnahmsweise nach dem Grunde (siehe z. B. Garantierückstellung) – am Bilanzstichtag nicht bekannt sind. Sie sind Ergänzungen der Verbindlichkeiten. Genau bestimmbare Schulden dürfen nicht als Rückstellungen, sondern müssen als Verbindlichkeiten ausgewiesen werden. Mit einer Inanspruchnahme muss zu rechnen sein. Die Rückstellungen dienen also einer richtigen Erfolgsermittlung und Periodenabgrenzung. Ausgaben, die später gemacht werden, wirtschaftlich aber das abgelaufene Wirtschaftsjahr betreffen, sollen im Interesse einer zutreffenden Aufwandsverteilung das abgelaufene Wirtschaftsjahr belasten.[1] Rückstellungen werden handels- und steuerrechtlich auf der Passivseite der Bilanz gezeigt; steuerrechtlich setzt die Bildung einer Rückstellung eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 5 EStG voraus.

1.2 Abgrenzung zu anderen Positionen der Passivseite

 

Rz. 2

Von anderen, ähnlichen Posten der Passivseite lassen sich die Rückstellungen wie folgt abgrenzen:

a) gegen Verbindlichkeiten

Verbindlichkeiten stehen dem Grunde und der Höhe nach fest. Bei Rückstellungen steht gewöhnlich nur der Grund fest, die Höhe ist meist ungewiss. Unsichere Fälligkeiten spielen bei der Abgrenzung keine Rolle.

 

Rz. 3

b) gegen Posten der Rechnungsabgrenzung

Rückstellungen sind ihrer Höhe nach ungewiss. Rechnungsabgrenzungsposten stehen zahlenmäßig fest, für Schätzungen bleibt kein Raum.

 

Rz. 4

c) gegen Wertberichtigungen

Der Unterschied zwischen Rückstellungen und Wertberichtigungen (z. B. Forderungswertberichtigungen) liegt darin, dass die Bildung einer Wertberichtigung sowohl vermögens- als auch erfolgswirksam ist, da sie einen zu hoch in der Bilanz angesetzten Vermögensposten korrigiert und damit zugleich den Gewinn der Periode mindert, während die Rückstellung regelmäßig keinem einzelnen Vermögensposten gegenübersteht, ihre Bildung also nur erfolgswirksam, aber nicht vermögenswirksam ist; durch die Rückstellung wird der Gesamtgewinn, nicht aber der Wert eines einzelnen Aktivpostens korrigiert.

 

Rz. 5

d) gegen Rücklagen

Rückstellungen müssen zulasten des Gewinns erfolgswirksam gebildet werden. Rücklagen entstehen dadurch, dass aus dem Reingewinn ein Teil mit einer besonderen Zweckbildung einbehalten wird. Von den Rücklagen (= Eigenkapital) unterscheiden sich die Rückstellungen durch ihren Schuldcharakter; sie stellen somit stets Fremdkapital dar.

1.3 Handelsrecht

 

Rz. 6

Rückstellungen sind zu bilden (Pflichtrückstellungen):

Für Außenverpflichtungen

  • Ungewisse Verbindlichkeiten,[1]
  • Drohende Verluste aus schwebenden Geschäften,[2]
  • Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden,[3]
  • für im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von 3 Monaten nachgeholt werden (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 HGB),[4]
  • für Abraumbeseitigungen, die in folgenden Geschäftsjahren nachgeholt werden (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 HGB).[5]

Pensionsrückstellungen sind ein Unterfall der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten; für sie besteht also Passivierungspflicht nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB; für Einzelheiten siehe Rz. 35 – 37 sowie "Altersversorgung: betriebliche Altersversorgung in der Rechnungslegung".

Es entspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die voraussichtlichen Abschlusszahlungen zur Körperschaftsteuer, zum Solidaritätszuschlag und zur Gewerbesteuer eines jeden Jahres (Veranlagungszeitraumes) durch eine Rückstellung zu berücksichtigen; derartige Rückstellungen für Steuern sind ebenfalls ein Unterfall der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten; für Einzelheiten siehe Rz. 38 – 41.

Für andere Zwecke dürfen Rückstellungen nicht gebildet werden. Rückstellungen dürfen nur aufgelöst werden, soweit der Grund hierfür entfallen ist.[6]

Damit besteht ein Ansatzverbot

  • für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, wenn die Instandhaltung innerhalb des folgenden Geschäftsjahres nachgeholt wird, sowie
  • für ihrer Eigenart nach genau umschriebene, dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen, die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sind.

Damit erfolgt eine Annäherung an die internationale Rechnungslegung, die die Bildung von Rückstellungen für Innenverpflichtungen grundsätzlich nicht kennt.

 

Rz. 7

Im Bilanzausweis gibt es für Pensionsrückstellungen und Rückstellungen für Steuern gesonderte Positionen; alle anderen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind den "sonstigen Rückstellungen" zuzuordnen; vgl. Rz. 10 dieses Beitrags.

 

Rz. 7a

Es ist unbedingt notwendig, die Rückstellungen dem Grund und der Höhe nach konkret, spezifiziert und aussagekräftig zu dokumentieren; angemessene Schätzungen sind zulässig.[7]

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