Rz. 45

Folgende Gesichtspunkte zur Abgrenzung der Verbindlichkeitsrückstellungen von den Drohverlustrückstellungen: Verbindlichkeitsrückstellungen stehen im Zusammenhang mit vergangenen, Verlustrückstellungen dagegen mit künftigen Ereignissen; Verbindlichkeitsrückstellungen berücksichtigen die Vergangenheit, Verlustrückstellungen hingegen die Zukunft. Verbindlichkeitsrückstellungen werden entsprechend dem Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB gebildet. Verlustrückstellungen folgen dagegen dem ebenfalls in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB angesprochenen Imparitätsprinzip, das den Misserfolg eines Geschäfts frühestmöglich erfasst sehen will.

Eine Drohverlustrückstellung ist zu bilden (§ 249 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB, Passivierungsgebot), wenn folgende 3 Voraussetzungen gegeben sind[1]

  • ein schwebendes Geschäft muss vorliegen,
  • aus dem schwebenden Geschäft muss ein Verlust (Verpflichtungsüberschuss) drohen,
  • nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung muss dieser Verlust auch ernsthaft künftig eintreten.

Die Bewertung von Drohverlustrückstellungen hat also auf Vollkostenbasis zu erfolgen.[2]

Bewertung zu Vollkosten bedeutet Erfassung aller zurechenbaren Einzel- und angemessenen[3] Gemeinkosten (kein Einbezug von Forschungs- und Entwicklungskosten).

Die Abzinsungspflicht nach § 253 Abs. 2 HGB betrifft auch die Drohverlustrückstellungen.[4]

 

Rz. 46

Die nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB gebotene Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist nach § 5 Abs. 4a EStG steuerlich nicht zulässig. Die sich durch Bildung von Drohverlustrückstellungen ergebenden Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht gebieten bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften die Steuerabgrenzung nach § 274 HGB (latente Steuern).

[1] Atilgan, DB 2021, S. 693/94.
[2] Weigl/Weber/Costa, BB 2009, S. 1065.
[3] Die Begriffe "angemessen" und "notwendig" werden in der Praxis als gleichbedeutend angesehen.
[4] Siehe Weigl/Weber/Costa, BB 2009, S. 1064.

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