Beruht eine Verpflichtung auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, so bedarf es der Konkretisierung in dem Sinne, dass

  • sie inhaltlich hinreichend bestimmt,
  • in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie
  • sanktionsbewehrt sind.[1]

Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist.

Nach Auffassung des BFH ist eine auf öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen beruhende Überholungsverpflichtung jedoch nicht in der Vergangenheit verursacht, da wesentliches Merkmal der Überholungsverpflichtung das Erreichen der zulässigen Betriebszeit ist, die den typischerweise auftretenden Ermüdungs- und Abnutzungserscheinungen der Fahrzeuge Rechnung trägt. Vor dem Erreichen der zulässigen Betriebszeit kann gerade nicht von einer wirtschaftlichen Verursachung der Verbindlichkeit gesprochen werden.[2]

Das wird auch daran deutlich, dass sich der Bilanzierende durch den Verzicht auf die zukünftige Nutzung des zu wartenden Vermögensgegenstands(z. B. eines Flugzeugs) der Verpflichtung zur Durchführung der Wartung entziehen könnte. Vielmehr ermöglichen die künftigen Wartungsausgaben die Erzielung künftiger Erträge, weil ohne die Wartung die Betriebserlaubnis erlöschen würde, während die bereits erzielten Erlöse der Vergangenheit auch dann erhalten bleiben, wenn keine Wartung durchgeführt wird und der zu wartende Vermögensgegenstand nicht weiter genutzt wird. Diesbezüglich bestätigt der BFH im Urteil vom 9.11.2016 seine frühere Rechtsprechung zu § 7 LuftBO (Betriebsordnung für Luftfahrtgeräte).[3]

 
Praxis-Beispiel

Laut BFH darf keine Rückstellung für die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Grund- oder Teilüberholung eines Luftfahrtgeräts gebildet werden

In dem Sachverhalt, der dem Urteil vom 19.5.1987 zugrunde liegt, betreibt ein Lufttransportunternehmen mehrere Hubschrauber.[4] Aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften müssen die Antriebsmotoren und Fahrgastzellen nach einer bestimmten Zahl von Flugstunden einer Überholung und Nachprüfung unterzogen werden.

Fraglich ist, ob die Verpflichtung vor dem Erreichen der relevanten Betriebszeit bereits wirtschaftlich verursacht ist. Die wirtschaftliche Verursachung einer Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oder in den Vorjahren setzt voraus, dass – ungeachtet der rechtlichen Gleichwertigkeit aller Tatbestandsmerkmale einer Verbindlichkeit – die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt.

In Bezug auf die Verpflichtung des Halters der Hubschrauber zur Überholung derselben nach § 7 LuftBO hat der BFH eine wirtschaftliche Verursachung vor dem Erreichen der zulässigen Betriebszeit verneint. Denn wesentliches Merkmal der Überholungsverpflichtung ist das Erreichen der zulässigen Betriebszeit, die den typischerweise auftretenden Ermüdungs- und Abnützungserscheinungen des Luftfahrtgeräts Rechnung trägt

Bis zur Erreichung der zulässigen Betriebszeit entspricht der Betrieb von Luftfahrtgeräten den luftfahrttechnischen Bestimmungen. Erst wenn der Halter den Betrieb der Luftfahrtgeräte über diesen Zeitraum hinaus fortsetzen will, muss er die genannten Kontrollen durchführen. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen legitimiert somit nicht den Betrieb des Luftfahrtgeräts in der Vergangenheit, sondern ermöglicht den zukünftigen Betrieb. Dem entspricht es, dass die Verpflichtung zur Überholung und Nachprüfung des Luftfahrtgeräts erst nach Ablauf der zulässigen Betriebszeit entsteht.

Die Erfüllung einer Verpflichtung muss demnach nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten. Darin ist auch der Unterschied zu den Entscheidungen des BFH betreffend die Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung eines Arbeitgebers zur Zahlung von Jubiläumszuwendungen an betriebsangehörige Arbeitnehmer zu sehen. Denn im Gegensatz zur Verpflichtung zur Grund- oder Teilüberholung eines Luftfahrtgeräts entstehen die Voraussetzungen für die Verpflichtungen zur Zahlung von Jubiläumszuwendungen kontinuierlich, nämlich im Zeitablauf, da der Arbeitgeber sukzessive in einen Erfüllungsrückstand gerät.

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