Der Ausgangsfall ist dem Sachverhalt nachgebildet, der dem Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 10.8.2011, dem Urteil des BFH vom 6.2.2013 sowie dem nachfolgenden Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 28.5.2014 zugrunde liegt.[1] Im Streitfall geht es um einen öffentlich-rechtlichen, die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung erledigenden Zweckverband, der aufgrund des sächsischen Kommunalabgabengesetzes dazu verpflichtet ist, sog. Kostenüberdeckungen, die in einer mehrere Wirtschaftsjahre umfassenden Preiskalkulationsperiode (im Streitfall 5 Jahre) entstanden sind, in der folgenden Kalkulationsperiode (im Streitfall 5 Jahre) preismindernd zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung besteht nicht gegenüber den Kunden der abgelaufenen Kalkulationsperiode. Sie stellt aber eine gesetzliche Verpflichtung kraft öffentlichen Rechts dar, Kostenüberdeckungen preismindernd zu berücksichtigen.[2]

Die zuvor genannten allgemeinen Ansatzkriterien für Verbindlichkeitsrückstellungen gelten auch für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen und damit auch für den hier betrachteten streitigen Sachverhalt. Dabei erweist sich die Anwendung der beiden Kriterien "wirtschaftliche Verursachung" und "Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme" aufgrund der Besonderheiten von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen als problematisch.

3.2.1 Wirtschaftliche Verursachung

Nach allgemeinen Grundsätzen entstehen (auch öffentlich-rechtliche) Ansprüche und Verpflichtungen zu dem Zeitpunkt, zu dem die sie begründenden rechtlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.[1]

Die im Streitfall relevante Norm des § 10 Abs. 2 SächsKAG sieht vor, Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraums von 5 Jahren (= Preiskalkulationsperiode) ergeben, innerhalb der folgenden 5 Jahre auszugleichen. D.h. die rechtliche Pflicht, Kostenüberdeckungen auszugleichen, entsteht erst am Ende des Bemessungszeitraums von 5 Jahren.[2]

Auch im oben dargestellten Praxis-Beispiel ist die Verpflichtung am Ende der Preiskalkulationsperiode (von 3 Jahren) zum 31.12.03 rechtlich entstanden.

Rückstellungen können auch für am Bilanzstichtag dem Grunde nach noch nicht entstandene Verbindlichkeiten zu bilden sein, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt zumindest wirtschaftlich verursacht sind.

Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung ist wirtschaftlich verursacht, "wenn – ungeachtet der rechtlichen Gleichwertigkeit aller Tatbestandsmerkmale – die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des die Verpflichtung auslösenden Tatbestands erfüllt sind und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängent."[3]

Im Streitfall ist ein wesentliches Merkmal der Ausgleichspflicht der Ablauf der Preiskalkulationsperiode. Nach der rechtlichen Struktur des § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SächsKAG und der im Sachverhalt des Praxisfalls beschriebenen Regelung entsteht die Ausgleichspflicht nach Auffassung des Sächsischen Finanzgerichts nicht in Teilschritten, sondern insgesamt zum Zeitpunkt des Ablaufs der Preiskalkulationsperiode. Im Streitfall wurden die Voraussetzungen für die Verpflichtung nicht zeitproportional in Teilschritten geschaffen. Vielmehr kann die Kostenüberdeckung in einem Jahr durch eine Kostenunterdeckung in einem anderen Jahr (innerhalb der Preiskalkulationsperiode) gemindert werden oder ganz ausgeglichen werden. Zur Entstehung einer Verpflichtung kommt es darauf an, dass am Ende der Preiskalkulationsperiode über alle Jahre der Preiskalkulationsperiode insgesamt eine Kostenüberdeckung besteht.[4]

Daher kann die Verpflichtung nicht vor dem Zeitpunkt ihrer rechtlichen Entstehung wirtschaftlich verursacht sein. Vielmehr fällt der Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung und rechtlichen Entstehung zusammen. Dies bedeutet, dass die Bildung einer Rückstellung erst am Ende des Preiskalkulationszeitraums erfolgen kann in Höhe des dann bestehenden Verpflichtungsbetrags.

Angewendet auf das obige Praxis-Beispiel entsteht die Verpflichtung zum 31.12.03 und nicht anteilig über die Geschäftsjahre 01-03.

3.2.2 Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme

Weiterhin kann eine Verbindlichkeitsrückstellung nur gebildet werden, wenn die Inanspruchnahme aus der Verpflichtung auch wahrscheinlich ist, d. h. der Bilanzierende ernsthaft mit der Geltendmachung des Anspruchs rechnen muss.[1]

In Bezug auf öffentlich-rechtliche Verpflichtungen kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Inanspruchnahme des Schuldners wahrscheinlich ist.[2] Die Finanzverwaltung fordert in R 5.7 EStR basierend auf der Rechtsprechung, dass die der Rückstellung zugrunde liegende Verpflichtung hinreichend konkretisi...

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