Der bilanzielle Wertansatz von abgezinsten Rückstellungen ist jährlich allein schon deshalb neu zu berechnen, da der Barwert mit der um den Zeitfortschritt veränderten Restlaufzeit (neu) berechnet werden muss. Dabei sind Änderungen der Bewertungsparameter

  • nomineller Verpflichtungsbetrag,
  • Abzinsungssatz und
  • Restlaufzeit

ebenfalls zu berücksichtigen.

Die durch die Deutsche Bundesbank ermittelten Zinssätze sind laufzeitadäquate Zinssätze. Dadurch kommt es bei der jährlichen Neuberechnung der Rückstellung zum Bilanzstichtag i. d. R. zu einer Änderung des für die Berechnung zugrunde zu legenden Zinssatzes. Denn allein aufgrund der Reduzierung der Restlaufzeit durch Zeitablauf ist bei normaler Zinsstruktur (auch bei unverändertem Zinsniveau) ein anderer Zinssatz anzuwenden als im Vorjahr.

Nach § 277 Abs. 5 HGB müssen Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften i. S. d. § 264a HGB Effekte aus der Auf- und Abzinsung von Rückstellungen in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten "Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge" bzw. "Zinsen und ähnliche Aufwendungen" ausweisen.

Das Gesetz lässt offen, ob der Effekt aus der Änderung der Höhe des anzuwenden Zinssatzes und einer geänderten Schätzung der Restlaufzeit im Finanzergebnis oder im operativen Ergebnis auszuweisen ist. Nach IDW HFA RS 34, Rz. 49 können Effekte aus der Änderung des Abzinsungssatzes sowie einer geänderten Schätzung der Restlaufzeit daher einheitlich entweder im operativen Ergebnis oder im Finanzergebnis ausgewiesen werden. Der Bilanzierende hat diesbezüglich ein Ausweiswahlrecht, das stetig auszuüben ist.[1]

Damit zeigt sich, dass der Bilanzierende im Zuge der Berechnung und Verbuchung einer Rückstellung einige Festlegungen treffen muss. Die Auswirkungen der unterschiedlichen "Wahlrechte" auf die Berechnungsmethodik einer Rückstellung und deren Verbuchung wird im folgenden Beispiel für Kapitalgesellschaften dargestellt.

Hinweis: Das Beispiel berücksichtigt nicht im konkreten Einzelfall ggf. bestehende Einschränkungen durch den Stetigkeitsgrundsatz.

 
Praxis-Beispiel

Handelsrechtliche Abzinsung

Die Huber GmbH schätzt die nominale Verpflichtung aus einem Rechtsstreit am 31.12.01 auf 100.000 EUR. Sie geht davon aus, dass der Rechtsstreit im August 05 beendet wird und sie zu diesem Zeitpunkt (31.8.05) in Anspruch genommen wird.

Bei der Berechnung der Rückstellung geht die Huber GmbH von folgenden laufzeitadäquaten Zinssätzen (beispielhaften 7-Jahresdurchschnitt-Zinssätzen) zum 31.12.01 aus, die sie auf der Webseite der Deutschen Bundesbank recherchiert hat:

 
Restlaufzeit (RLZ) 1 2 3 4 5
Zinssatz (%) 0,58 0,63 0,72 0,84 0,97

Ermittlung der Restlaufzeiten und laufzeitadäquaten Zinssätzen:

Die Restlaufzeit entspricht dem Zeitraum vom Bewertungszeitpunkt (31.12.01) bis zum Zeitpunkt der erwarteten Inanspruchnahme (31.8.05). Da die Huber GmbH mit einer unterjährigen Inanspruchnahme rechnet, sind bei der Bewertung der Rückstellung Restlaufzeiten zu berücksichtigen, die nicht ganzjährig sind.

Dies bedeutet auch, dass vor der Berechnung der Rückstellung zunächst die laufzeitadäquaten Zinssätze ermittelt werden müssen, da die Deutsche Bundesbank nur Zinssätze für ganzjährige Restlaufzeiten zur Verfügung stellt. Nach IDW RS HFA 34, Rz. 42 kommen 3 Methoden für die Ermittlung unterjähriger Zinssätze infrage:

  1. Lineare Interpolation aus den beiden Zinssätzen der nächstkürzeren und nächstlängeren ganzjährigen Restlaufzeiten
  2. Verwendung des Zinssatzes der ganzjährigen Restlaufzeit, die dem Erfüllungszeitpunkt am nächsten ist
  3. Verwendung des Zinssatzes der nächstkürzeren ganzjährigen Restlaufzeit (sofern die Zinssätze insgesamt eine normale Zinsstruktur aufweisen)

Die Huber GmbH entscheidet sich für die genaueste Methode, also die lineare Interpolation, und ermittelt folgende Zinssätze mithilfe einer Excel-Berechnung (vgl. Tab. 2):

 
  Restlaufzeit (Jahr, Tage)   Nächstkürzere Restlaufzeit   Nächstlängere Restlaufzeit Differenz Interpolierter Zins
Bilanzstichtag Jahre Tage = Tage (dezimal) Jahr (dezimal)   Jahre Zinssatz   Jahre Zinssatz    
  a b c =b/360 d =a+c   e f   g h i =f-h j=f + (c*i)
31.12.01 3 240 0,67 3,67   3 0,72   4 0,84 0,12 0,80
31.12.02 2 240 0,67 2,67   2 0,63   3 0,72 0,09 0,69
31.12.03 1 240 0,67 1,67   1 0,58   2 0,63 0,05 0,61
31.12.04 0 240 0,67 0,67   0 0,00   1 0,58 0,58 0,39
31.08.05 0 0 0,00 0,00   0 0,00   0 0,00 0,00 0,00

Tab. 2: Ermittlung unterjährige Restlaufzeiten mittels linearer Interpolation

Ermittlung der Rückstellungsbeträge (Erfüllungsbeträge) mittels Excel-Berechnung:

Für die Ermittlung des Rückstellungswerts erstellt die Huber GmbH eine Excel-Tabelle, die die Rückstellungsbewertung für alle Bilanzstichtage über die gesamte erwartete Laufzeit der Rückstellung zeigt (vgl. Tab. 3):

 
Bilanzstichtag Restlaufzeit Laufzeitadäquater Zins zum jeweiligen Stichtag Abzinsungsfaktor Nomineller Verpflichtungsbetrag Erfüllungsbetrag (= Barwert des Verpflichtungsbetrags) Zinseffekt
  a b c d e = c*d f = e-et-1
31.12.01 3,67 0,800...

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