Leitsatz

Die Grundsätze über das zulagenunschädliche Ausscheiden technisch abgenutzter oder wirtschaftlich verbrauchter Wirtschaftsgüter vor Ablauf der gesetzlichen Bindungsfrist sind nicht anwendbar, wenn der Betrieb, in dem die geförderten Wirtschaftsgüter verbleiben sollen, noch vor dem Ende des Bindungszeitraums seine Produktion in das Ausland verlagert und deshalb nicht mehr zu einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes im Fördergebiet gehört.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999

 

Sachverhalt

Der Kläger überließ im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Betriebsgrundlagen zur Nutzung an die im Fördergebiet ansässige S GmbH. 2003 und 2004 schaffte er Werkzeuge an, die die GmbH für die Produktion von Schutzhelmen verwendete. Hierfür setzte das FA unter Nachprüfungsvorbehalt Zulagen nach dem InvZulG 1999 auf ca 201.000 EUR (2003) bzw. 98.000 EUR (2004) fest.

Weil an den Helmen Haarrisse auftraten, wurde ihre Herstellung spätestens im November 2005 eingestellt und im Januar 2006 die gesamte betriebliche Produktion ins Ausland verlagert. Nach einer Außenprüfung setzte das FA die Investitionszulage jeweils auf 0 EUR fest.

Die Klage, zu deren Begründung vorgetragen wurde, die begünstigten Werkzeuge seien vor Ablauf der Bindungsfrist wegen wirtschaftlichem Verbrauch zulagenunschädlich ausgeschieden, da mit ihnen keine mangelfreien Helme produziert werden konnten, hatte keinen Erfolg (Sächsisches FG vom 22.2.2012, 2 K 1948/10, Haufe-Index 3205050, EFG 2012, 2149).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück, weil infolge der Produktionsverlagerung die fünfjährige Bindungsfrist nicht eingehalten worden war.

 

Hinweis

1. Die Begünstigung von Investitionen in neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens setzte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999 u.a. voraus, dass sie mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und während des Fünfjahreszeitraums im Fördergebiet in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes oder der produktionsnahen Dienstleistungen verbleiben. Darüber hinaus müssen die geförderten Wirtschaftsgüter während des Bindungszeitraums in dem Betrieb tatsächlich eingesetzt werden oder zumindest einsetzbar sein.

2. Der Anspruch auf Investitionszulage erlischt, wenn das geförderte Wirtschaftsgut die zulagenrechtlichen Verbleibens-, Zugehörigkeits- und Nutzungsvoraussetzungen nicht während des gesamten Bindungszeitraums erfüllt.

3. In bestimmten Fällen ist das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb des Investors vor Ablauf der Bindungsfrist zulagenunschädlich:

  • Wenn es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht ist und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert hat,
  • wenn es wegen technischer Abnutzung oder wirtschaftlichen Verbrauchs nicht mehr genutzt werden kann,
  • wenn es aufgrund eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses, das dem üblichen unternehmerischen Bereich nicht zugeordnet werden kann, vorzeitig technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist.

4. Die vorstehenden Grundsätze über das zulagen­unschädliche vorzeitige Ausscheiden setzten voraus, dass der Betrieb, in dem das geförderte Wirtschaftsgut für die Dauer der Bindungsfrist verbleiben soll, während des Bindungszeitraums ein Betrieb des verarbeitenden Gewerbes im Fördergebiet bleibt. Denn die Voraussetzungen der Zulagenförderung betreffen sowohl das Wirtschaftsgut selbst als auch den Betrieb, zu dem es gehört.

5. Um eine Rückforderung der Zulagen zu vermeiden, muss der Betrieb bis zum Ablauf der Bindungsfrist im Fördergebiet aktiv bleiben. Das dürfte praktisch insbesondere dann schwierig sein, wenn nicht einzelne Wirtschaftsgüter unbrauchbar, sondern z.B. durch Feuer, Überflutung, technischen Fortschritt oder schwerwiegende technische Mängel die wesentlichen Grundlagen des Betriebs vernichtet worden sind. Wurden hohe Zulagen gewährt, kann statt einer vollständigen Betriebseinstellung oder -verlagerung die Aufrechterhaltung einer "Mini-Produktion" in Betracht gezogen werden.

6. In Betriebsaufspaltungsfällen werden Besitz- und Betriebsunternehmen im Zulagenrecht einheitlich betrachtet (sog. Merkmalszurechnung; vgl. zur kapitalistischen Betriebsaufspaltung BFH, Urteil vom 20.5.2010, III R 28/08, BFH/NV 2010, 1946, BFH/PR 2010, 503). Gehört die Betriebsgesellschaft zum verarbeitenden Gewerbe, so erfüllt auch der Verpachtungsbetrieb diese Förderungsvoraussetzung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.11.2013 – III R 17/12

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