Rz. 4

Reisekosten können steuerlich nur dann berücksichtigt werden, wenn sie betrieblich/beruflich veranlasst sind. Problematisch ist die Behandlung von Aufwendungen für Reisen, die sowohl aus betrieblichen/beruflichen als auch aus privaten Gründen unternommen werden. Der Große Senat des BFH hat für einen derartigen Fall entschieden, dass die Aufwendungen für die Hin- und Rückreise in Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben und Aufwendungen der privaten Lebensführung nach den privat und betrieblich/beruflich veranlassten Zeitanteilen der Reise aufzuteilen sind, wenn die betrieblich/beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Je nach Gewicht der privaten und beruflichen "Veranlassungsbeiträge" komme im Einzelfall auch ein anderer Aufteilungsmaßstab oder gar der Verzicht auf die Aufteilung in Betracht.[1]

 

Rz. 5

Der Beschluss des Großen Senats[2] bedeutet eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung[3] und eine Absage an das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG. Der Beschluss wurde von der Finanzverwaltung anerkannt.[4] Mit Schreiben vom 6.7.2010[5], das in allen offenen Fällen anzuwenden ist, hat die Finanzverwaltung ihre Auffassung zur Umsetzung des Beschlusses veröffentlicht. Es ergeben sich folgende Grundsätze:

  • Ist eine Reise sowohl betrieblich/beruflich als auch privat veranlasst und entstehen dadurch gemischte Aufwendungen, kann grundsätzlich eine Aufteilung in als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbare sowie in privat veranlasste und nicht abziehbare Teile erfolgen.
  • Eine Aufteilung kommt nur in Betracht, wenn die betriebliche/berufliche Veranlassung umfassend dargelegt und nachgewiesen wird.
  • Die privat und betrieblich/beruflich veranlassten Reiseanteile müssen sich anhand objektivierbarer Kriterien, notfalls im Wege der Schätzung abgrenzen lassen. Fehlt eine geeignete Schätzungsgrundlage oder ist eine Trennung nicht möglich, gelten die Aufwendungen insgesamt als privat veranlasst.
  • Ist die betriebliche/berufliche Mitveranlassung von untergeordneter Bedeutung (weniger als 10 %), sind die Aufwendungen in vollem Umfang nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbar.
  • Umgekehrt sind bei einer untergeordneten privaten Mitveranlassung (weniger als 10 %) die Aufwendungen in vollem Umfang als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbar.[6] Eine untergeordnete private Mitveranlassung der Kosten für eine Hin- und Rückreise ist auch dann anzunehmen, wenn der Reise ein eindeutiger unmittelbarer betrieblicher/beruflicher Anlass zugrunde liegt, z. B. ein Arbeitnehmer nimmt aufgrund einer Weisung seines Arbeitgebers einen ortsgebundenen Pflichttermin wahr oder ein Nichtarbeitnehmer tätigt einen ortsgebundenen Geschäftsabschluss oder ist Aussteller auf einer auswärtigen Messe, der mit einem vorangehenden oder nachfolgenden Privataufenthalt verbunden wird.[7]
  • In den Fällen der Durchführung beruflich veranlasster Reisen von Mitarbeitern aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers können die Kosten der Hin- und Rückreise auch dann in vollem Umfang beruflich veranlasst sein, wenn der Arbeitnehmer den beruflichen Pflichttermin mit einem vorangehenden oder nachfolgenden Privataufenthalt verbindet. Hierbei soll es unbeachtlich sein, ob der private Teil der Reise kürzer oder länger ist als der berufliche. Eine gemischte Reise liegt also bei einer vom Arbeitgeber angeordneten Reise nicht vor.[8] Wird ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers bereits samstags auf eine Tagung entsendet, die allerdings erst montags beginnt, weil beispielsweise der Flug samstags zu günstigeren Konditionen möglich ist, so liegt keine gemischte Reise vor und eine Aufteilung in einen beruflichen und privaten Teil ist entbehrlich.[9]
  • Kommt nach den vorgenannten Grundsätzen die Aufteilung der Reisekosten in Betracht, ist wie folgt vorzugehen:

    • Zunächst sind die Reiseaufwendungen in die Kategorien privat veranlasst, betrieblich/beruflich veranlasst und gemischt veranlasst einzuteilen. Privat veranlasste Aufwendungen sind nicht, betrieblich/beruflich veranlasste Aufwendungen in vollem Umfang und gemischt veranlasste Aufwendungen anteilig als Betriebsausgaben/Werbungskosten abzugsfähig.
    • Für die Aufteilung der Aufwendungen ist ein geeigneter, den Verhältnissen im Einzelfall gerecht werdender Aufteilungsmaßstab zu finden. Eine Aufteilung kann beispielsweise anhand von Zeit-, Mengen- oder Flächenanteilen sowie nach Köpfen erfolgen.

Ein Abzug der Aufwendungen kommt insgesamt nicht in Betracht, wenn die – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – betrieblichen/beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge so ineinander greifen, dass eine Trennung nicht möglich und eine Grundlage für die Schätzung nicht erkennbar ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn es an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung fehlt.[10]

 

Rz. 6

 

Beispiel 1

Höhe der abziehbaren Aufwendungen[11]

Ein niedergelassener Arzt besucht einen Fachkongress in London. Er reist Samstagfrüh an. Die Veranstaltung findet ganztägig von Dien...

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