Leitsatz

1. Die Datenschutz-Grundverordnung ist auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden nicht anwendbar.

2. Für Ansprüche nach dem BDSG ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

 

Normenkette

Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO, § 32i, § 208 AO, § 33 FGO, § 13, § 17a GVG, § 20, § 45, § 57 BDSG

 

Sachverhalt

Der Kläger wird beim FA A umsatzsteuerlich geführt. Im Jahre 2014 schaltete das FA A, das beklagte FA, dort die Steuerfahndung ein, die wegen verschiedener Vorwürfe im Jahre 2015 Steuerstrafverfahren gegen den Kläger einleitete. Die strafrechtlichen Ermittlungen, jedoch noch nicht das Strafverfahren selbst, wurden durch den Bericht der Steuerfahndung des FA vom 10.8.2018 abgeschlossen. Dieser enthielt den Vorwurf, der Kläger scheue sich nicht, in seinen Verfahren mit Argumenten aus der "Reichsbürgerszene" aufzuwarten.

Am 9.11.2018 beantragte der Kläger beim FA nach Art. 15 Abs. 1, Art. 4 Abs. 4 DS-GVO Auskunft über die beim FA gesammelten Daten. Er wolle wissen, welche Informationen hinter der Behauptung betreffend die "Reichsbürgerszene" stünden. Diese sei diskreditierend.

Das FA lehnte den Antrag ab. Der Anwendungsbereich der DS-GVO sei nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d nicht eröffnet.

Mit der am 11.6.2019 eingegangenen Klage beantragte der Kläger, das FA zu verpflichten, Auskunft über die Dokumente zu erteilen, aus denen sich ergeben soll, dass er sich … Argumenten der sogenannten "Reichsbürger" bediene, und das FA weiterhin zu verpflichten, die Dokumente, aus denen sich die Argumentation "Reichsbürger" ergeben soll, zu löschen.

Das FG hat das Verfahren auf Antrag des FA nach § 17a Abs. 3, 4 GVG an das zuständige VG verwiesen und die Beschwerde zugelassen (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.9.2019, 10 K 1493/19).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Beschwerde des Klägers als unbegründet zurück. Das FG habe zu Recht erkannt, dass der Rechtsweg zu den Finanzgerichten aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen weder nach § 32i Abs. 2 AO noch nach § 33 Abs. 1 FGO eröffnet sei. Vielmehr sei der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

 

Hinweis

1. Datenschutzrechtliche Begehren gegen das FA im Zusammenhang mit der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) haben keine Grundlage in der DS‐GVO (= Verordnung (EU) 2016/679) vom 27.4.2016 (ABlEU Nr. L 119/1). Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO findet die DS-GVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Ist gegen den Betroffenen ein Verfahren i.S.d. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eingeleitet und noch nicht abgeschlossen, gilt dies selbst dann, wenn die Steuerfahndung in diesem Zusammenhang Besteuerungsgrundlagen ermittelt.

2. Für solche datenschutzrechtlichen Begehren eröffnet § 32i Abs. 2 AOnicht den Rechtsweg zu den Finanzgerichten.

a) Nach dieser Vorschrift ist für Klagen der betroffenen Person hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gegen Finanzbehörden oder gegen deren Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person der Finanzrechtsweg gegeben. § 32i AO wurde durch Art. 17 Nr. 11 des Gesetzes vom 17.7.2017 (BGBl I 2017, 2541) eingefügt und ist nach dessen Art. 31 Abs. 4 seit dem 25.5.2018 in Kraft.

b) Maßgeblich für die Bestimmung des Rechtswegs ist die Rechtsnatur des Streitgegenstandes. Dieser richtet sich neben dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt nach der, das Rechtsverhältnis regelnden, Anspruchsgrundlage.

c) Kommt für das gegen ein FA gerichtete Klage­begehren die DS-GVO als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, weil diese wie z.B. bei der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nicht anwendbar ist (s. oben 1.), eröffnet § 32i Abs. 2 AO nicht den Rechtsweg zu den Finanzgerichten.

3. Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist in Fällen der vorliegenden Art auch nicht nach § 33 Abs. 1 FGO eröffnet. Die Steuerstraf- und Bußgeldsachen und damit auch die sich darauf beziehende Tätigkeit der Steuerfahndung von der Einleitung bis zur Einstellung eines solchen Verfahrens gehören grundsätzlich nicht zu den Abgabenangelegenheiten i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO.

4. Nach § 45 Satz 1 BDSG gelten die Vorschriften dieses Teils [Teil 3] für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die für die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung, Verfolgung oder Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zuständigen öffentlichen Stellen, soweit sie Daten zum Zweck der Erfüllung dieser Aufgaben verarbeiten. Das BDSG ist durch Art. 1, Art. 8 Abs. 1 DSAnpUG-EU vom 30.6.2017 (BGBl I 2017, 2097) mit Wirkung vom 25.5.2018 neu gefasst worden.

Für Ansprüche nach dem BDSG ist nach § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

 

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